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Sieh mich an, Al Sony

Sieh mich an, Al Sony

Titel: Sieh mich an, Al Sony
Autoren: Denise Danks
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im Zimmer umherschlenderte und nach den Kleidern suchte, die ich am Abend zuvor irgendwo fallen gelassen hatte. Er habe beim Kartenspiel gewonnen, sagte er. Soviel hätte ich schon mitbekommen, antwortete ich, und daraufhin versuchte er, mir zu erzählen, wie. Das Spiel sei eine Art Seven-Card Stud, erklärte er, eine verrückte Variante namens »Low-ball«, bei der das schlechteste Blatt gewinnt.
    »Damit sollte ich mich auch mal befassen«, sagte ich.
    »Ach komm. Du wirst doch jetzt nicht über Vegasjammern?«
    »Ich hätte es um nichts in der Welt verpassen mögen.«
    »Es ist wieder okay?«
    »Es ist wieder okay.«
    »Was hast du dann? Eddie?«
    »Nein. Ich bin glücklich geschieden.«
    »Doch sicher nicht der Job? Meine Güte, Georgina, das ist doch Monate her.«
    »Es ist nicht der Job. Mir fehlt nichts.«
    »Hör mal, scheiß auf Technology Week,. Ich kann dich hier bei uns unterbringen.«
    »Nein danke.«
    »Nein danke? Hör’s dir doch mal an. Ist dir klar, wieviel ich hier verdiene?«
    »Ja, Charlie, und du schuldest mir immer noch fünfzig Riesen.«
    »Na, hör zu, Blümchen, jetzt kann ich dich bezahlen. Komm heute abend vorbei. Dann erkläre ich dir alles. Schaffst du das?«
    »Darauf kannst du wetten.«
     
    Charlie legte auf. Bestimmt hatte er ordentlich gewonnen, aber da war noch etwas anderes auf dem Feuer, und es hatte etwas mit seiner eiligen Abreise aus Las Vegas zu tun, dessen war ich sicher. Ich nahm meine Haarbürste von der Kommode und warf einen Blick auf die Visitenkarte, die darunter gelegen hatte. Sie war schlicht weiß mit schwarzer Schrift, Englisch auf der einen Seite, Kanji auf der anderen, und einem ebenfalls schwarz-weißen, breit grinsenden Männergesicht. Meine Finger streichelten das Bild. Shinichro Saito, Geschäftsführer, Komponentendivision, NC Corporation. Er hatte sich auch gelangweilt. Gelangweilt bei den Karaoke-Abenden mit den Jungs, gelangweilt mit japanischen Stewardessen in trostlosen, teuren Londoner Nachtklubs, und gelangweilt dabei, allzu japanisch zu sein. Sein Wa, seine Harmonie, war bei dieser Überseereise ein bißchen ins Wanken geraten, und da war er mir begegnet. Ich hatte sein gutaussehendes, versonnenes Gesicht in einem dampfigen kleinen Klub in der Charlotte Street bemerkt, wo er die Raver in ihren sackförmigen Hemden angestarrt hatte. Mich hatte er nur angesehen, weil ich auch nicht getanzt hatte. Ich hatte ihm mein Bier über die Hose geschüttet, als ich mich an ihm vorbeizwängte, und er hatte sich dafür entschuldigt, daß er mir im Weg gewesen war. Oh, Shiny, du warst schon beeindruckend. Ich legte die Karte aus der Hand.
    Vielleicht sollte ich ihn anrufen, dachte ich, wo ich doch nun wieder da war.
     
    Charlie führte mich in sein unaufgeräumtes Apartment, und ich fühlte mich gleich wie zu Hause. Er fegte einen Berg alte Zeitungen und einzelne schwarze Socken in eine Ecke des Sofas und zerrte einen Aktenkoffer darunter hervor. Er bedeutete mir, mich zu setzen, und ließ sich aufgeregt neben mich plumpsen; er atmete pustend ein und aus wie ein Affe auf Eis und balancierte den Metallkoffer auf seinen knochigen Knien. Er starrte die glatte Oberfläche an und strich mit seinen langen Händen liebevoll über die abgerundeten Kanten.
    »Möchtet ihr gern allein sein?« fragte ich.
    »Was?«
    »Sie ist wie geschaffen für dich: elegant, cool, ein großer Mund, der nie widerspricht — aber in der Regel schaue ich nicht gern zu.«
    »Georgina - schau und versinke in Demut.« Er drehte am Zahlenschloß.
    Mehrere runde, durchsichtige Schachteln lagen in dem Koffer. Für jemanden, der nicht Bescheid wußte, hätten sie ausgesehen wie eine Lieferung schicker Frisbees, aber ich wußte Bescheid. In der Elektronikbranche nannte man so etwas »Waffle packs«. Stumm schaute ich erst sie, dann Charlie an. Er nickte und erlaubte mir, eine dieser Schachteln ans Licht zu halten und die runde Scheibe darin zu betrachten, eine Matrix von Tausenden von Halbleitern, die der modernen Welt eher unter dem Namen »Siliziumchips« bekannt sind. Sie glitzerten in dem transparenten, runden Sandwich wie Miniaturpläne von goldenen Städten mit glänzenden Straßen aus Silber. Chips. Für mich sehen sie alle gleich aus: kleine graue Vierecke mit dichten, verschlungenen Schaltungen. Einer davon hätte leicht auf meine Fingerspitze gepaßt, aber ich hätte nicht gewußt, ob ich das Gehirn eines Computers, den Mikroprozessor, oder seinen Notizblock, den Speicher, in der Hand
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