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Sieh mich an, Al Sony

Sieh mich an, Al Sony

Titel: Sieh mich an, Al Sony
Autoren: Denise Danks
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aber.« Ich deutete nach vorn zu meinem dösenden Reisegefährten.
    »Und er gewinnt?«
    »Dauernd, verdammt.«
    »Ihr Freund, hm? Ehemann?«
    »Ein Freund«, sagte ich. »Grad mal so.«
     
    Pal bestellte uns Champagner zum Frühstück, und wir standen im Gang und tranken. Er war einer von diesen überwältigend selbstbewußten Männern, die sich im Stehen gern mit dem Arm über deinem Kopf abstützen, so daß sie wie ein gütig lächelnder Gott auf dich hinunterschauen können. Zu seinem Balkanschnurrbart hätten ein ausgebeultes Bauernhemd und die entsprechende Hose gepaßt, aber er trug eine Rolex und einen modisch leichten Anzug aus Baumwollmischgewebe, dessen Ärmel er lässig über die Handgelenke nach oben geschoben hatte, wie es bei Zivilpolizisten, Drogenhändlern und schweren Jungs aller Art gerade schick war. Andauernd hob er die dunklen, feinen Augenbrauen, als sei jedes meiner Worte schwer von einem benebelnden, sexy Aroma. Champagner und Zigaretten ließen mich ausharren, bis er sagte: »Ich liebe die Mädchen im Westen.«
    Meine Schultern sackten unter der toten Last der Langeweile herab, die sich rasant auf mich legte, aber ich hielt es aus und hob mein Glas, um mir nachschenken zu lassen. Dann fragte ich ihn, wo er denn herkomme, daß er uns so faszinierend finde. Er lachte laut und sagte, er sei ein verrückter Magyar aus Budapest.
    »Was haben wir denn, was die Mädchen daheim nicht haben?« fragte ich.
    »Die Mädchen im Westen sind viel interessanter.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »Sie sind so freizügig.«
    »Geistig, körperlich oder mit ihren Kreditkarten?«
    »Hah. In jeder Hinsicht. Westfrauen können machen, was ihnen gefällt.«
    »Stimmt nicht.«
    »Nicht? Wieso nicht?«
    »Weil wir keine Macht haben, darum nicht. Und alle Macht, die wir vielleicht doch haben, ist eingewickelt in gesellschaftliche Zwänge, die sich als biologische tarnen.«
    »Oh, Sie sind also Feministin. Die sagen alle das gleiche. Zu Hause sagen sie es auch.«
    »Bloß schade, daß ihnen niemand zuhört.«
    »Es hört ihnen niemand zu, weil sie keine Macht haben.« Und damit stubste er mich unters Kinn.
    Es war kein guter Anfang. Aber mit Charlie verstand er sich prima. Sie spielten fast den ganzen Heimflug über Studpoker, und als wir in Heathrow ankamen, lag Mr. Kuthy in Führung.
     

 Ich mochte Charlie, aber ich traute ihm nicht. Er war clever, aber er konnte auch Mist bauen. Früher hatten wir beide bei derselben Fachzeitschrift gearbeitet, bei Technology Week.
    Dort hatte er zuletzt Mist gebaut, und er hatte das Blatt unter einer dunklen Wolke der Schmach verlassen. Ich war ihm gefolgt, mit einem leicht angenagten Apfel der Erkenntnis in der Hand. Wir waren wie Adam und Eva, ein beflecktes Doppel, das aus dem Medienparadies vertrieben wurde. Aber keiner von uns beiden Erbsündern zerbrach sich darüber noch besonders den Kopf. Mir war ein kleiner Haufen Geld in den Schoß gefallen, den ich weder verlangt noch verdient hatte, und Charlie hatte einen Job gefunden, bei dem er doppelt soviel verdiente wie früher als Redakteur. Es ging uns prima, nur daß ich mich langweilte wie die Frau eines Kricketspielers beim Herumsitzen — ich war nicht unglücklich, wohlgemerkt, nur genervt und gelangweilt. Ich langweilte mich so sehr, daß ich angefangen hatte, mehr zu rauchen als der Marlboro-Mann persönlich. Den Winter hatte ich mit einem japanischen Liebhaber verbracht, und dann hatte ich drei Wochen Frühjahrsurlaub gemacht; beides hatte mir geholfen, die Zeit auf höchst angenehme Weise zu vertreiben, aber Charlies Einladung nach Vegas hatte die Monotonie durchbrochen wie das Klirren von Glas im Fenster eines Pavillons.
    Er ließ mir einen ganzen Tag Zeit, um mich von der Reise zu erholen, bevor er mich anrief. Als ich seine Stimme hörte, drückte ich auf den Lautsprecherknopf am Telefon und drehte mich auf dem Kopfkissen herum, um meine letzte Zigarette aus der Packung zu fischen. Die Sonne trotzte den zugezogenen Vorhängen mit ihren staubigen Strahlen, und die Ziffern auf dem Uhrenradio näherten sich der Mittagsstunde. Ich krabbelte aus dem Bett, während Charlie fragte, wie es mir ginge, und zog die Vorhänge auf. Dahinter lag ein entmutigendes Londoner Tableau aus zwei schmuddeligen Hochhausblocks im Vordergrund und einer gezackten City-Skyline zur Rechten, deren aufstrebende Gebäude vom Smog vernebelt waren wie ölige, überhitzte Motorkolben. Charlies aufgeregte Stimme hallte aus dem Telefon, während ich
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