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Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Titel: Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Autoren: Miles Cameron
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    Albinkirk · Ser John Crayford
    Der Hauptmann von Albinkirk zwang sich, nicht mehr aus dem schmalen, verglasten Fenster zu starren und stattdessen etwas zu tun.
    Er war eifersüchtig. Eifersüchtig auf einen Jungen, der nur ein Drittel seiner Jahre hatte und doch bereits eine ansehnliche Lanzenkompanie befehligte. Der durch die Gegend reiten konnte, während er selbst in einer Stadt saß, die vor lauter Sicherheit recht langweilig geworden war. Und allmählich wurde sie auch noch alt.
    Sei kein Narr, sagte er zu sich selbst. All diese Heldentaten geben zwar wundervolle Geschichten ab, aber eigentlich handeln sie doch nur von Kälte, Feuchtigkeit und Entsetzen. Hast du das etwa schon vergessen?
    Er seufzte. Seine Hände erinnerten sich an alles – an die Schläge, die Nächte auf dem Boden, die Eiseskälte und die gepanzerten Handschuhe, die nicht richtig passten. Seine Hände schmerzten ständig, sowohl in wachem Zustand als auch im Schlaf.
    Der Hauptmann von Albinkirk, Ser John Crayford, hatte sein Leben keineswegs als Edelmann begonnen. Seinen Rang hatte er ausschließlich durch Befähigung erworben.
    Durch die Befähigung zur Gewalt.
    Und als Dank saß er nun in dieser reichen Stadt mit einer Garnison, die nur zu einem Drittel so groß war, wie sie den schriftlichen Berichten zufolge sein sollte. Eine Garnison aus Söldnern, die die Schwachen umherschubsten, die Frauen missbrauchten und den Kaufleuten Geld abpressten. Eine Garnison, die einfach zu viel Geld besaß, denn ein Posten in ihr beinhaltete das Recht, in Pelzkarawanen aus dem Norden zu investieren. Pelze aus Albinkirk waren so etwas wie ein Weltwunder. Um das Rohmaterial zu bekommen, musste man bloß nach Norden oder Westen in die Wildnis reiten. Und lebend zurückkommen.
    Das Fenster des Hauptmanns zeigte nach Nordwesten.
    Er riss den Blick davon los. Schon wieder.
    Und setzte den Stift auf das Papier. Sorgfältig und angestrengt schrieb er:
    Mylord,
    eine Aventiuren-Gesellschaft – wohlgeordnet und mit einem Passierschein, der vom Marschall unterzeichnet war – überquerte gestern Morgen die Brücke. Die Gruppe bestand aus fast vierzig Lanzen, und zu jeder von ihnen gehörte ein Ritter, ein Knappe, ein Diener und ein Bogenschütze. Sie waren – nach letzter östlicher Mode und Art – ausgezeichnet bewaffnet und gepanzert: allüberall Stahl. Ihr Hauptmann war höflich, aber reserviert, sehr jung – und wollte seinen Namen nicht nennen. Er bezeichnete sich jedoch als den Roten Ritter. Sein Banner zeigte drei Lac d’Amour in Gold auf einem sandfarbenen Feld. Er erklärte, sie seien überwiegend Untertanen Eurer Gnaden, die aus dem Krieg in Gallyen kämen. Da sein Passierschein in Ordnung war, sah ich keinen Grund, ihn aufzuhalten .
    Ser John schnaubte verächtlich, als er sich an die Szene erinnerte. Niemand hatte daran gedacht, ihm mitzuteilen, dass eine kleine Armee aus Osten auf ihn zukam. Früh am Morgen war er zum Tor gerufen worden. Er hatte bloß ein fleckiges Wollwams und eine alte Hose getragen und dann versucht, diesen eingebildeten Welpen in seinen prächtigen scharlachroten und goldenen Farben einfach niederzustarren. Der junge Mann saß auf einem Kriegspferd von der Größe einer Scheune. Ser John hatte nicht genug fähige Soldaten gehabt, um die ganze Bande zu verhaften. Auf dem verdammten Jungen stand über und über Großer Adliger geschrieben, und der Hauptmann von Albinkirk dankte Gott, dass dieser Welpe ohne zu murren den Zoll bezahlt und gute Papiere besessen hatte, denn jeder Zwischenfall wäre gewiss böse ausgegangen. Für ihn.
    Er bemerkte, dass er auf das Gebirge starrte. Dann wandte er den Blick ab. Ein weiteres Mal.
    Außerdem hatte er einen Brief von der Äbtissin zu Lissen Carak dabei. Im letzten Sommer hatte sie um fünfzig gute Männer bei mir nachgefragt, doch ich hatte ihre Bitte leider ablehnen müssen – Euer Gnaden wissen, dass ich nicht genug Männer habe. Ich vermute, sie wird inzwischen Söldner angeheuert haben, da sie keine Männer aus der Gegend bekommen konnte.
    Wir sind, wie Euer Gnaden wissen, zu etwa hundert Mann unterbesetzt. Ich habe nur vier gut ausgerüstete Männer, und viele meiner Bogenschützen sind nicht ganz das, was sie eigentlich sein sollten. Ich möchte respektvoll darum ersuchen, dass Euer Gnaden mich entweder ablösen oder die nötigen Mittel bereitstellen möge, um die Garnison angemessen auszustatten.
    Ich verbleibe als Euer demütigster und respektvollster Diener
    John
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