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Allein auf Wolke Sieben

Allein auf Wolke Sieben

Titel: Allein auf Wolke Sieben
Autoren: Voosen Jana
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Milchstraße 7, vollkommen nackt zu den Füßen eines Mannes, von dem ich nicht einmal den Nachnamen kenne. Ist mir doch egal. Mir fehlt einfach die Kraft, aufzustehen und mir was zum Anziehen zu besorgen. Die Sache mit dem Brautkleid hat mich um Monate zurückgeworfen. Meine Gedanken wandern zu Michael. Wie es ihm wohl geht, jetzt, wo ich schon ein halbes Jahr tot bin? Ob es ihm etwas ausmachen würde, wenn er wüsste, dass Thomas mich nackt sieht? Gequält öffne ich die Augen und sehe direkt auf ein Paar Männerfüße in hellen Turnschuhen. Mein Nachbar hat sich nicht vom Fleck gerührt, sondern hält noch immer geduldig die Stellung.
    »Wärst du so nett, mir was zum Anziehen zu besorgen?«, bitte ich ihn. Er lässt sich wieder neben mich in die Hocke nieder.
    »Was hättest du denn gerne?«
    »Ach, ist mir egal«, gebe ich erschöpft zurück. »Jeans und T-Shirt.«
    »Steht dir auch gut!« Bruchteile von Sekunden später trage ich ein weißes, langärmeliges Shirt und schmalgeschnittene Jeans.
    »Warst du das?«, frage ich verblüfft und er schüttelt lächelnd den Kopf. Verwirrt zupfe ich an meinem Ärmel herum und denke: »Was, wenn ich lieber ein rotes Oberteil
hätte? Oder ein grünes? Oder ein weiß-blau gestreiftes? Oder ein …?«
    »Hör auf, mir wird ja ganz schwindelig«, unterbricht Thomas mich und kneift die Augen zusammen, während mein Outfit zum dritten Mal die Farbe wechselt. Mit offenem Mund sehe ich zu meinem Nachbarn auf, der mich freundlich anlächelt.
    »Cool, nicht wahr?«
    »Ja«, gebe ich widerwillig zu.
    »Na komm, steh auf. Es ist wirklich Zeit dazu.« Wenn es sein muss. Langsam rapple ich mich auf und stehe dicht vor Thomas, der mich um Haupteslänge überragt.
    »Ich hätte gerne ein Paar Schuhe mit hohem Absatz«, sage ich laut und scheine in Sekundenschnelle um zwölf Zentimeter zu wachsen. Zufrieden lächelnd schaue ich auf meine Füße hinunter und erstarre beim Anblick der spitzen Plateaustiefeletten aus rotem Lackleder. »Äh, schwarze Schuhe!« rufe ich aus und die Stiefel wechseln ihre Farbe. »Keine Stiefel«, korrigiere ich und schwups, bin ich wieder barfuß. Thomas kichert unterdrückt, ich stoße einen genervten Seufzer aus und versuche es erneut: »Ich wünsche mir schwarze Riemchensandalen mit einem Sieben-Zentimeter-Absatz. Und bequem sollen sie sein.« Zufrieden betrachte ich mein Werk und wackele mit den Zehen.
    »Sehr gut, du lernst schnell«, lobt Thomas. »Was hältst du davon, wenn wir jetzt deine Wohnung einrichten? Ich finde, hier sollten wir dringend ein bisschen Gemütlichkeit reinbringen.« Ich sehe mich in dem kargen Raum um und muss ihm Recht geben.
    »Lass mich raten«, sage ich mit einem schiefen Grinsen, »wir gehen nicht zu Ikea!«

    Den ganzen Tag brachten wir damit zu, eine exakte Kopie meines ehemaligen Hamburger Zuhauses herzustellen. Das machte mich so traurig, dass ich am Abend alles wieder weggewünscht und die Wohnung nur mit dem Nötigsten ausgestattet habe: Bett, Tisch, zwei Stühle und ein schlichtes Badezimmer mit Duschwolke, in der ich jetzt, fünfeinhalb Jahre später, traurig aus meinen Erinnerungen erwache. Seufzend tapse ich hinüber ins Schlafzimmer und greife wahllos in meinen Kleiderschrank. Ich streife mir ein knielanges, hellblaues Kleid über. Eigentlich ist es mir sowieso ganz gleichgültig, wie ich aussehe. Für wen soll ich hier hübsch sein? Als wolle er darauf eine Antwort geben, klopft in diesem Moment Thomas an meine Tür und strahlt mich an.
    »Hallo, Schönheit! Sollen wir gemeinsam zur Arbeit gehen?« Ganz offensichtlich hat er unten keine große Liebe hinterlassen, denn seit unserer ersten Begegnung macht er mir hartnäckig den Hof, obwohl ich ihm sicher schon tausendmal gesagt habe, dass außer Freundschaft zwischen uns nichts sein kann. Dabei ist er wirklich ein lieber Kerl und attraktiv noch dazu mit seinem blonden Haar, der athletischen Figur und den strahlend hellgrünen Augen. Dennoch schüttele ich mal wieder den Kopf und sage: »Tut mir leid. Ich muss vorher noch einen Brief schreiben.«
    »An den Boss, verstehe schon«, grinst er. »Der wievielte ist das dann?«
    »Der vierhundertsiebenunddreißigste«, antworte ich und er schüttelt den Kopf.
    »Deine Hartnäckigkeit in allen Ehren, aber wie viele Briefe willst du ihm noch schreiben, bevor du merkst, dass er sich nicht zu der Sache äußern will?«

    »Von mir aus noch eine Million. Zeit genug habe ich ja«, sage ich verstockt und er seufzt mitleidig.
    »Ach
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