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Allein auf Wolke Sieben

Allein auf Wolke Sieben

Titel: Allein auf Wolke Sieben
Autoren: Voosen Jana
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Süße«, meint er kopfschüttelnd.
    »Nenn mich nicht so«, bitte ich ihn, »du weißt doch...«
    »Ich weiß«, nickt er und sieht kein bisschen beleidigt aus, »du liebst deinen Michael und wir können nur Freunde sein.«
    »Genau«, bestätige ich und er grinst noch breiter.
    »Keine Sorge, selbst wenn ich wollte, hier oben kann ich dir doch sowieso nicht an die Wäsche gehen. Ich kann dir doch nicht einmal die Hand geben. Aber ich kann in dich verliebt sein. Ist das okay?« Ich nicke zögernd: »Ja, natürlich. Nur …«
    »Schon klar«, winkt er ab. »Du bist nicht verliebt in mich, das weiß ich doch.« Ein wenig verlegen sehe ich auf meine Füße hinunter. »Dafür musst du dich nicht schuldig fühlen, wirklich nicht«, beruhigt er mich. »Ich sag dir was, schreib du in Ruhe deinen Brief und ich komm dann in einer halben Stunde noch mal rum. Ein Spaziergang am frühen Morgen ist doch was Schönes.« Damit weist er über die friedlich wogende Wolkendecke, die im Morgenlicht schimmert, und macht sich auf den Weg. Ich sehe ihm nachdenklich hinterher, dann stelle ich mich ans geöffnete Fenster und konzentriere mich auf mein Vorhaben. Am Horizont erscheint ein heller Fleck, der langsam näher kommt. Wenige Augenblicke später schwebt eine weiße Brieftaube herein, lässt sich vor mir auf dem Boden nieder und gurrt einen Willkommensgruß.
    »Hallo, Paula«, sage ich, denn weil sie seit Jahren mindestens einmal die Woche vorbeikommt, um meine Post entgegenzunehmen, habe ich ihr einen Namen gegeben.
Unwillkürlich strecke ich die Hand aus, um ihr über den Kopf zu streichen, denn ich habe mich noch immer nicht daran gewöhnt, dass wir Seelen, ob Mensch oder Tier, einander nicht berühren können. Jedenfalls nicht körperlich. Meine Geste kommt trotzdem bei Paula an, denn sie gurrt erneut und sieht mich aus ihren schwarzen Knopfaugen verständnisvoll an. Dann legt sie erwartungsvoll den Kopf schief, und ich setze mich schnell an den Tisch, um meinen Brief zu verfassen. Grübelnd kaue ich eine Weile auf meinem Kugelschreiber herum, um die richtigen Worte zu finden. Entgegen meiner Behauptung habe ich nämlich nicht vor, Gott noch eine Million weitere Briefe zu schreiben. Nur noch diesen einen.
Milchstraße 7, den 25. Mai 2009
    Sehr geehrter Herr Gott,
    zunächst einmal möchte ich mich für den Ton, den ich Ihnen gegenüber vor allem in den letzten zweihundert Briefen angeschlagen habe, entschuldigen. Ich war einfach schrecklich wütend, dass Sie mich haben holen lassen. Dass ich nicht mehr die Gelegenheit hatte, Michael zu heiraten. Ihm noch nicht einmal mehr sagen konnte, wie sehr ich ihn liebe. Ich kann es einfach nicht verstehen. Warum? Er war meine große Liebe, und ich dachte immer, dass es das ist, was Sie von uns Menschen wollen: dass wir einander lieben. Heiraten, Kinder bekommen. Warum haben Sie uns auseinandergerissen? Ich bin jetzt seit sechs Jahren hier oben und ich gebe zu, dass es wirklich ganz nett ist. Wenn die Menschen dort unten wüssten, dass die Seele tatsächlich weiterlebt, und dann auch noch an diesem wundervollen Ort, dann würde es den meisten
nicht so schwer fallen zu gehen. Auch meine Arbeit als Helfer gefällt mir, besser als mein Job auf der Erde. Dennoch war ich dort glücklicher, um ein Vielfaches glücklicher, und ich kann es noch immer nicht begreifen. Sehr geehrter Herr Gott, mir ist klar, dass Sie auch diesen Brief nicht beantworten werden, ich habe sogar den Verdacht, dass Sie meine Korrespondenz möglicherweise überhaupt nicht zu Gesicht bekommen haben. Dies hier ist mein letzter Brief. Mir ist klar, dass ich nicht ändern kann, was geschehen ist, und mittlerweile habe ich auch begriffen, dass Sie nicht ändern werden, was geschehen ist (obwohl ich in der Bibliothek Präzedenzfälle zu meinem aufgestöbert habe und weiß, dass Sie dazu in der Lage wären). Ich werde Sie also in Zukunft nicht mehr belästigen, sondern versuchen, mein Dasein hier im Himmel anzunehmen.
    Hochachtungsvoll,
    Lena Kaefert
    PS: Ich ziehe sogar in Erwägung, innerhalb der kommenden Dekade einen Antrag bei der Reincarnation GmbH & Co KG einzureichen und auf die Erde zurückzukehren.
    PPS: Ich hoffe, Sie nehmen es mir unter den gegebenen Umständen nicht übel, wenn ich mein nächstes Leben als Atheistin führen werde. Nichts für ungut!
     
    Konzentriert lese ich meine Zeilen noch einmal durch. Habe ich etwas Wichtiges vergessen? Neben mir gurrt Paula ungeduldig und hüpft auf der Tischplatte auf und
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