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Allein auf Wolke Sieben

Allein auf Wolke Sieben

Titel: Allein auf Wolke Sieben
Autoren: Voosen Jana
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Kapitel 1

MEIN HOCHZEITSTAG 3. MAI 2003
    »Jetzt mal ehrlich, Julia, ist das Kleid nicht ein bisschen zu …?«
    »Überladen? Drüber? Teuer?«, unterbricht meine ältere Schwester mich wie aus der Pistole geschossen und grinst unverschämt von einem Ohr zum anderen. »Absolut. Aber zu dir passt es irgendwie.«
    »Frechheit«, gebe ich zurück und bin kein bisschen beleidigt. Entzückt betrachte ich mich in dem mannshohen Spiegel im Schlafzimmer meiner Eltern und muss mich schwer zurückhalten, nicht vor lauter Glück und Freude loszuquietschen. Dieses Kleid ist ein Traum. Und die Braut erst. »Sissi« ist ein Dreck dagegen. Meine langen, sonst schnittlauchgeraden dunkelbraunen Haare hat Julia mithilfe von Spezialwicklern in akkurate Korkenzieherlocken verwandelt, die mein Gesicht mit den braunen, rauchig umschatteten Augen und den zart rosa geschminkten Lippen sanft umrahmen. Die fein bestickte Korsage des Kleides schmiegt sich eng an meinen Oberkörper und puscht meine eher jämmerliche Oberweite zu einem recht ansehnlichen Dekolleté hoch. Von der eng geschnürten Taille fällt der Rock in
unzähligen Lagen weit und bauschig bis auf den Boden herab und endet in einer fast eineinhalb Meter langen Schleppe.
    »Ich fühle mich wie in eine Wolke eingehüllt«, sage ich feierlich und streiche behutsam mit der Hand über den edlen, elfenbeinfarben schimmernden Stoff. »Am liebsten möchte ich es nie wieder ausziehen.«
    »Das wäre bei dem Preis auch das einzig Sinnvolle«, kommentiert Julia trocken, während sie prüfend um mich herum geht. »Die brauchen morgen früh wahrscheinlich nicht mal den Festsaal auszufegen, du wirst den ganzen Müll in dieser monströsen Schleppe mit nach Hause tragen.« Gespielt empört stemme ich die Hände in die Hüften und sehe sie kopfschüttelnd an.
    »Auch wenn du mir wie aus dem Gesicht geschnitten bist, ich weigere mich, jegliche genetische Übereinstimmung zwischen uns anzuerkennen.«
    »Einer muss schließlich auf dem Teppich bleiben, Prinzessin«, meint sie grinsend und ich wende mich wieder meinem Spiegelbild zu. Ja, ich sehe aus wie eine Prinzessin. So, genau so habe ich mir das vorgestellt. Und was noch wichtiger ist als jedes Kleid der Welt: Ich habe einen echten Prinzen gefunden. Wie aufs Stichwort erklingen in diesem Moment die ersten Takte des Hochzeitsmarsches von Mendelssohn, seit Michaels Antrag sein Klingelton auf meinem Handy.
    »Hey du«, säusele ich zärtlich ins Telefon.
    »Na, mein Krabbelkäferchen, wie siehts aus? Du bist doch wohl nicht durchgebrannt?«, ertönt seine tiefe, immer leicht amüsiert klingende Stimme.
    »Nein. Und du?«
    »Ich habe mir sogar vorgenommen, pünktlich zu sein.«

    »Ich habe genau das Gegenteil geplant«, kichere ich.
    »Ist mir klar, du kleine Dramaqueen«, neckt er mich. »Keine Sorge, ich werde unruhig von einem Bein aufs andere treten und mich bis zur letzten Sekunde bangend fragen, ob meine große Liebe erscheinen wird.«
    »Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht, wenn dann bloß ich auftauche«, grinse ich und er lacht.
    »Bitte sei so nett.«
    »Ich denke, ich werde es einrichten können«, sage ich großmütig. »Dann bis später.«
    »Ja, bis dann. Weißt du was, mein Krabbelkäferchen?«
    »Du liebst mich?«
    »Das auch. Aber außerdem …« Er macht eine bedeutungsschwangere Pause.
    »Ja?«
    »Ich hätte nie gedacht, dass ich so was jemals sagen würde, aber ich bin wirklich gespannt auf dein Kleid.« Ich liebe diesen Mann!
     
    Um halb drei machen sich meine Eltern auf den Weg zur Kirche, um kurz nach halb klingelt Oliver, Michaels bester Freund und Trauzeuge, an der Tür.
    »Hi, Oli, hat alles geklappt mit dem Blumenschmuck für das Auto?«, höre ich Julia, die ihn hereinlässt, fragen und atme erleichtert auf, als er das bejaht.
    »Und wo ist die Braut?«
    »Hier bin ich«, rufe ich zu den beiden hinunter, raffe mit einer Hand meine Röcke und steige vorsichtig die Treppe meines Elternhauses hinunter.
    »Hallo, Oli«, begrüße ich ihn strahlend, als ich unten angekommen bin und genieße seinen fassungslosen Gesichtsausdruck.

    »Ich … äh … hallo, also, wenn ich das so sagen darf: wow!«
    »Danke«, lächele ich geschmeichelt.
    »Sag mal, warst du immer schon so groß?«, erkundigt er sich und Julia lacht.
    »Nein, das liegt an ihren Schuhen. Komm schon, zeig ihm deine Schuhe«, fordert sie mich auf und ich strecke meinen Fuß unter dem Kleid hervor, der in einer zierlichen Riemchensandale aus weißem Satin
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