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Allein auf Wolke Sieben

Allein auf Wolke Sieben

Titel: Allein auf Wolke Sieben
Autoren: Voosen Jana
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Schultern.
    »Findest du nicht?«
    »Na ja.« Sie sieht mich verständnislos an.
    »Aber wie überzeugst du den Kunden, den du abholst, mit dir zu kommen, wenn du es hier gar nicht schön findest?«
    »Äh, nun ja«, stammele ich und trete verlegen von einem Fuß auf den anderen. Das ist eine berechtigte
Frage. Langsam begreife ich, warum ich für meine Aufträge in der Regel viermal so lange brauche wie meine Kollegen. Das hat mir Thomas unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut. Ich fand es nicht weiter schlimm, denn so etwas wie Leistungsdruck gibt es hier oben nicht. Jeder macht einfach so viel, wie er kann, und niemand wird rausgeschmissen, nur weil er irgendwelche vom Unternehmen vorgegebenen Zahlen nicht erfüllt. Mit einem Mal dämmert mir, was schiefgelaufen ist: Klarer Fall von falscher Berufswahl.

Kapitel 3
    »Hey, Lena, aufwachen«, reißt Nina mich aus meinen Gedanken und ich zucke zusammen. »Mann, ist das wieder ein Stau heute Morgen«, meint sie grinsend, »das hatte ich früher schon im Supermarkt raus, mich grundsätzlich da anzustellen, wo es am längsten dauert. Ja ja, schon klar«, winkt sie ab, noch bevor ich den Mund aufmachen kann, um Thomas zu verteidigen, »ich weiß, ihr seid Freunde und er ist der tollste Nachbar weit und breit, hast du schon oft genug erzählt. Aber findest du nicht auch, dass er seinen Job ein bisschen organisierter angehen könnte?« Mit einem Kopfnicken weist sie auf Thomas’ Schreibtisch, auf dem ein ziemliches Durcheinander herrscht. Gerade durchwühlt er fieberhaft den gefährlich schwankenden Stapel von Auftragsumschlägen zu seiner Rechten, während er gleichzeitig mit einer blonden Helferin, die geduldig wartend vor ihm steht, ein Schwätzchen hält.
    »Ihm geht es eben auch ein bisschen um den persönlichen Kontakt«, sage ich achselzuckend zu Nina, die vielsagend lächelt.
    »Also, wenn ich nicht wüsste, dass du immer noch deinem Michael hinterhertrauerst, dann würde ich wetten, dass da was ist zwischen Thomas und dir.«

    »So ein Quatsch«, gebe ich brüsk zurück. »Und selbst wenn es Michael nicht gäbe: Wie soll hier oben überhaupt irgendetwas laufen, so ohne Körper?« Fragend sehe ich Nina an, doch die scheint durch irgendetwas abgelenkt zu sein. Ihre Aura wechselt plötzlich die Farbe, vom ursprünglichen zarten Fliederton in ein kräftiges Pink. Verwirrt folge ich ihrem Blick zum Eingang, wo gerade ein dunkelhäutiger, hoch gewachsender Mann mit funkelnden schwarzen Augen die Halle betritt. Er winkt in unsere Richtung herüber und auch seine Aura strahlt für einen Augenblick auf. Dann verschwindet er in Richtung der Fahrstühle.
    »Körperlich natürlich nicht«, beantwortet Nina meine vorherige Frage, nachdem sie sich wieder gefangen hat, »aber emotional dafür umso mehr.«
    »Schon klar«, gebe ich zurück und rücke einen Schritt vor, weil es endlich weitergeht. »Jedenfalls: Zwischen Thomas und mir läuft nichts, weder körperlich noch emotional. Wir sind einfach gute Freunde und nur weil er seinen Job ein bisschen gründlicher macht, ist er deshalb kein schlechter Mensch. Äh, ich meine, keine schlechte Seele.« Um vom Thema abzulenken, erzähle ich Nina von meinem gestrigen Einsatz, woraufhin sie leise durch die Zähne pfeift.
    »Wow, für einen Neunzigjährigen hast du den ganzen Tag gebraucht?«
    »Ja, und das, obwohl er Witwer und schon seit Monaten bettlägerig war«, setze ich noch einen drauf.
    »Aber wieso denn bloß?«
    »Das frage ich mich auch. Als er dann endlich gestorben war, konnte er es nämlich kaum abwarten, nach oben und zu seiner Annie zu kommen. Da habe
ich ihn dann nach Feierabend noch abgeliefert«, erzähle ich.
    »Aber wieso ist er denn dann nicht sofort mitgekommen? Das verstehe ich nicht.«
    »Ich glaube, er hatte einfach keine Lust«, sage ich achselzuckend und füge, weil sie ungläubig die Augen aufreißt, hinzu: »Außerdem hat er nicht an ein Leben nach dem Tod geglaubt.«
    »Obwohl du da warst?«, staunt Nina und ich nicke resigniert. »Also, vielleicht solltest du doch mal drüber nachdenken, ein Fortbildungsseminar zu belegen. Die werden doch laufend angeboten, ich hab letztes Jahr selber eins gemacht, zum Thema Durchsetzungsvermögen und Rhetorik. Seitdem brauche ich im Durchschnitt eine ganze Stunde weniger pro Auftrag.« Unschlüssig wiege ich den Kopf hin und her. Ich weiß nicht so recht. »Die gesparte Zeit kannst du abbummeln, ist doch super«, fährt sie fort. »Na komm, gib dir einen Ruck.
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