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Angstschrei: Thriller

Angstschrei: Thriller

Titel: Angstschrei: Thriller
Autoren: James Hayman
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    Portland, Maine
    Freitag, 23. Dezember
    In New York mit all seinen Wolkenkratzern wäre das Hochhaus am Monument Square Nummer zehn niemandem aufgefallen. Nicht einmal in Boston. Aber in einer Stadt wie Portland war es eins der prägenden Merkmale der Skyline. Zwölf Stockwerke aus rötlich braunem Granit, schwarze Fenster zwischen vertikalen Pfeilern, so thronte Nummer zehn hochmütig über der Ostseite des Platzes, eine große Nummer in einer kleinen Stadt. Von der Gebäudespitze verkündeten riesige weiße Buchstaben jedem, der es wissen wollte, dass es sich hier um den Hauptsitz von Palmer Milliken handelte, der größten und prestigeträchtigsten Anwaltskanzlei der Stadt. Nach Aussage der Teilhaber von Palmer Milliken war sie außerdem eine der besten in ganz Neu-England, und zwar– darauf legten sie ausdrücklich Wert– einschließlich Bostons. Die 192 Rechtsanwälte der Kanzlei mitsamt den dazugehörigen Mitarbeitern nahmen insgesamt zehn der zwölf Stockwerke des Gebäudes für sich in Anspruch.
    Um 19.42 Uhr am Freitag vor Beginn des langen Weihnachtswochenendes stand eine junge Frau am Fenster ihres bescheidenen Büros im sechsten Stock und blickte auf das bunte Treiben unten auf dem Platz. Elaine Elizabeth Goff, von allen, die sie etwas näher kannten, Lainie genannt, war schon seit Jahren als Rechtsanwältin bei Palmer Milliken tätig. Ihre Arbeit– die Überprüfung der Verträge für den bevorstehenden Zusammenschluss zweier kleinerer Banken in Maine– hatte sie bereits erledigt. Ein halbes Dutzend Mal war sie die Unterlagen durchgegangen, hatte hier und da ein paar kleinere Korrekturen vorgenommen und vor einer Stunde ihre Empfehlungen auf den Weg gebracht. Sie war nun bereit, in ihren Winterurlaub zu starten. Zwei Wochen lang würde sie in dem kleinen, eleganten Bacuba Spa & Resort an der Südwestküste Arubas die beißende Kälte Portlands hinter sich lassen. Nur zwei Dinge standen dem Beginn ihres Urlaubs noch im Weg. Ein FedEx-Päckchen, das heute Abend noch rausgehen musste, und ein Telefonanruf, der bereits vor zwölf Minuten hätte eintreffen sollen. Die Verspätung machte sie unruhig.
    Ihr Abschluss an der Cornell Law School in Ithaca, New York, lag bereits sechs Jahre zurück, und trotzdem war sie erst Ende zwanzig, wenn auch, wie ihr in letzter Zeit immer häufiger bewusst wurde, nicht mehr lange. Doch obwohl der gefürchtete Dreißigste mit Riesenschritten näher kam, war sie voller Stolz nach wie vor der Überzeugung, dass sie, Lainie Goff, die kleine Stipendiatin aus Rockland, Maine, demnächst eine der jüngsten Teilhaberinnen in der fünfundsiebzigjährigen Geschichte von Palmer Milliken werden würde. Man hatte ihr zwar noch kein konkretes Angebot unterbreitet, aber es war zum Greifen nah, so nah, dass sie es förmlich riechen konnte. Sie hoffte, heute Abend noch von der Aufnahme in den lukrativen Kreis der Teilhaber zu erfahren, und zwar während des Telefonats, das sie so sehnlich erwartete. Wenn doch bloß das verdammte Telefon endlich klingeln würde. Sie hatte ihr ganzes Leben auf dieses Ereignis ausgerichtet. Hatte angefangen, Geld auszugeben, das sie noch gar nicht besaß. Die Schuhe von Jimmy Choo für 500 Dollar, in denen jeder Schritt schmerzte. Das funkelnagelneue BMW -Cabrio, ein 325i für 40 000 Dollar, das unten in der Garage auf sie wartete. Nicht leuchtend rot, wie sie es sich insgeheim gewünscht hatte, sondern Platinbronze metallic, weil ihr das für eine Anwältin irgendwie angemessener erschienen war. Und jetzt noch der teure Urlaub auf Aruba. Ein Haufen Geld, das sie in Erwartung der einen oder anderen unmittelbar bevorstehenden Bonuszahlung bereits auf den Kopf gehauen hatte.
    Dabei war Lainie nicht einmal eine überragend gute Anwältin. Sicherlich waren ihre geistigen und juristischen Fähigkeiten hervorragend, jedoch nicht besser als die eines halben Dutzends anderer ambitionierter Rechtsanwälte, die bei Palmer Milliken angestellt waren. Doch im Rennen um den ersten Platz besaß Lainie einen entscheidenden Vorteil gegenüber all ihren Mitbewerbern. Sie war nicht nur eine fähige Rechtsanwältin, sondern darüber hinaus eine außergewöhnlich schöne Frau mit schulterlangen dunklen Haaren, einer schlanken, sportlichen Figur und durchdringenden blauen Augen, die die meisten Menschen, ganz besonders aber Männer, einfach nicht mehr aus dem Kopf bekamen. Und sie schlief mit ihrem Chef.
    Lainie warf einen Blick auf das altmodische Leuchtschild auf dem Dach
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