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Alle Zeit - Roman

Alle Zeit - Roman

Titel: Alle Zeit - Roman
Autoren: Kathrin Gerlof
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einfällt. Dem Pfleger ist es am Ende egal, er muss noch durch die halbe Station, und die schweren Fälle kommen erst.
    Aaron zieht Klara aus. Er sucht ihr Nachthemd, das unter der Bettdecke liegt. Den Büstenhalter lässt er an, Klara hat schützend
     ihre Hände auf die womit auch immer gefüllte Hülle gelegt. Sie streift sich das Nachthemd selbst über den Kopf und zupft und
     zieht, bis es richtig sitzt. Aber sie schweigt, schaut Aaron nur hin und wieder an, als werde der ihr nun doch fremd.
    Aaron ist so traurig, dass es wohl bis ans Ende seiner Tage reichen wird. Er schiebt Klara ins Bad und sagt, sie solle auf
     die Toilette gehen, er warte draußen auf sie. Nach fünf endlos langen Minuten hört er die Spülung und gibt Klara noch eine
     Minute dazu, bevor er wieder ins Bad geht. Sie steht vor dem Spiegel und heult.
    Aaron, schluchzt sie, ich erkenne mich nur noch ein bisschen. Und meine Haare sehen auch nicht mehr schön aus.
    Sie sind wunderschön, sagt Aaron und nimmt den Kamm von der Ablage, um Klaras Haare zu kämmen. Dann bringt er Klara ins Zimmer
     und legt sie ins Bett und deckt sie zu. Er setzt sich auf den Stuhl neben dem Bett, nimmt ihre Hand. Müde ist er auch, die
     letzte Nacht war anstrengend. Die schönste Nacht meines noch verbleibenden Lebens, denkt Aaron und drückt Klaras Hand, die
     schlaff und doch tröstlich in seiner liegt. Sie drückt ein wenig zurück. Aaron, flüstert sie und dreht den Kopf so, dass sie
     ihn sehen kann. Den alten Juden, in den sie sich verliebt hat und den sie nun wahrscheinlich verlassen wird. Besser wäre,
     wenn ich nicht noch einmal aufwachen müsste.
    Klara dreht den Kopf zur anderen Seite, starrt noch ein paar Minuten auf die Wand und schläft ein. Aaron deckt sie noch besser
     zu und geht aus dem Zimmer.
    Da habe ich, sagt er draußen, in meinem hohen Alter noch einen One-Night-Stand gehabt.
    Und dann verzweifelt Aaron.

 
    Im Telefonbuch findet sich keine Klara Helmstedter. Nicht eine in ganz Deutschland. Das findet Juli so sonderbar, dass sie
     fast an eine Verschwörung glauben möchte. So selten kann dieser Name doch nicht sein. Klaras gibt es wie Sand am Meer und
     Helmstedters noch mehr. Aber nicht in dieser Kombination. Sie könnte doch, sagt die Hebamme, auch unter ihrem Mädchennamen
     im Telefonbuch stehen.
    Warum sollte sie ihren Mädchennamen tragen? Sie war doch mit dem Helmstedter verheiratet, und der ist dann gestorben. Juli
     fängt noch einmal an, der Hebamme die Familienverhältnisse zu erklären. Von vorn und mit allen Namen. Klara und Franz, Henriette
     und Helmut, von dem Juli bis vorhin noch glaubte, er sei Elisas Vater gewesen. Aber nun ist er nur ein Stiefvater und der
     Vater ihrer Mutter eine unbekannte Größe geworden. Wenn ich Klara nicht finde, denkt Juli, suche ich die beiden Kerle, den
     Vater und den Stiefvater von Elisa. Mir ist jetzt auch egal, wie ich eine Familie zusammenbekomme.
    Die Hebamme fühlt mit. Sie will ja alles sein für Juli, aber das wird wohl nicht gehen. Der fehlen sämtliche Verbindungen
     zur Vergangenheit.
    Such die ganzen Kisten nach Hinweisen durch, rät sie. Du findest bestimmt etwas, was uns weiterhilft, wenn wir deine Urgroßmutter
     suchen wollen.
    Juli geht wieder in ihr Zimmer und fängt an, Fotos und Briefe und Dokumente zu sortieren. Sie findet Aufnahmen von dieser
     Hütte, die Klara und Franz sich gebaut hatten.Die Bilder legt sie ganz schnell beiseite. Dort sind Henriette und Elisa gestorben. Das ist auf jeden Fall ein Unglücksort.
     Später, wenn Svenja größer ist und sprechen kann, wird sie zusammen mit ihrer Tochter dort hinfahren und sich diese Hütte
     anschauen. Nicht früher. Und vielleicht auch nie.
    In einem großen Umschlag steckt noch ein Stapel Briefe. Die hat Henriette offenbar an Klara geschrieben, aber nie abgeschickt.
     Juli liest zwei davon und versteht beide nicht. Nur die Trauer versteht sie und die Wut über einen Verrat, von dem sie nichts
     weiß und nie etwas erfahren wird.
    Sie steht auf und schaut nach, ob Svenja wieder wach ist. Draußen scheint die Sonne, und sie könnte gut und gern noch einmal
     mit Svenja in den Park laufen. Die Kneipe müsste ja wieder offen haben. Sie würde mit der Kellnerin reden. Oder einfach nur
     einen Tee trinken. Svenja schläft noch, und Juli sagt zur Hebamme: Man soll sie nicht wecken, wenn es geht. Sie lernen im
     Schlaf.
    Die Hebamme schüttelt den Kopf und beschließt, das Buch für Juli gleich morgen zu kaufen. Was die sich
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