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Alle Zeit - Roman

Alle Zeit - Roman

Titel: Alle Zeit - Roman
Autoren: Kathrin Gerlof
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und sitzt dann neben Aaron, als wäre sie ganz zufällig da gelandet. Die Versuchung ist
     groß, sich jetzt die Decke bis zum Halszu ziehen und ihn darunter machen zu lassen, was er will. Aber Klara bleibt tapfer so sitzen und wartet ab. Aaron streichelt
     ihren Bauch und ihre Schultern und sagt: Du hast nie gut Sonne vertragen, das sieht man. Eine ganz weiße Haut. Die hat bestimmt
     immer von innen geleuchtet.
    Das weiß Klara nicht mehr, ob sie geleuchtet hat von innen. Aber was sie weiß, ist, dass ihr das alles gefehlt hat. Und schon
     so lange. Dass jemand sie anfasst. Keine Krankenschwester, niemand, der versucht, ihren dürftigen Körper zu pflegen oder das
     zu tun, was er für pflegen hält. Sondern jemand, der sie nur so streichelt, wie Aaron das jetzt macht.
    Aaron geht es genauso. Er will und kann es jetzt nicht sagen, aber Klaras Hände auf seinem Bauch und auf seinen Schultern
     sind alles Glück, was dieses Leben vielleicht noch für ihn bereithält. Er dreht sie vorsichtig um, wendet sie, bis sie auf
     dem Bauch liegt, und schaut sich ihren Rücken an, der noch wirklich etwas hermacht. Fast glatte Haut, rechts und links verlaufen
     von den Achselhöhlen in die Mitte des Rückens zwei kleine Speckfalten, die eine fast vergessene Lust wecken. Aaron legt beide
     Hände auf Klaras Rücken und streicht nach oben und unten und versenkt die Finger in den Falten. Er wagt sich noch ein bisschen
     weiter vor, zieht den blütenweißen Schlüpfer etwas runter und sieht einen, wie er findet, wirklich prachtvollen Hintern. Zum
     Glück ist sie keine magere Alte, denkt er und lässt nun alle Vorsicht fahren.
    Das geht nicht mehr wie früher, Klara, sagt er und versenkt die rechte Hand zwischen ihre Schenkel. Die liegt fast still,
     bewegt sich nur ein bisschen. Aaron kann nicht sehen, wie ihr die Wangen knallrot werden und heiß, und kann nicht wissen,
     dass sie sich völlig fremd vorkommt mit diesem Mann da neben sich, der mit ihr macht, was seit der allergrößten Ewigkeit niemand
     mehr mit ihr getan hat. Siewagt sich mit der Hand, die nicht unter ihrem Bauch liegt, ein Stück vor, lässt sie ganz vorsichtig in Aarons kurze blaue
     Hose gleiten und stellt fest, dass möglich ist, was sie nicht für möglich gehalten hat. Aaron benimmt sich wie wahrscheinlich
     jeder Mann auf der Welt. Er ist stolz. Auf sich und seine Männlichkeit, die es bis ins hohe Alter geschafft hat. Nun sollten
     sie, findet er, die Gelegenheit auch nutzen. Die wird ja so oft nicht mehr kommen. Also dreht er Klara auf die Seite und schiebt
     sich an sie ran und in sie rein, und alles andere ist so, wie man es halt gelernt hat und offensichtlich nicht vergisst. Ob
     das, was dann nach ein paar Minuten passiert, nun wirklich ein Orgasmus ist oder nur die Freude darüber, dass hier zwei alte
     Körper noch etwas miteinander anfangen können, ist Aaron egal. Und Klara wahrscheinlich auch. Die findet das alles so verwunderlich,
     dass ihr die Worte fehlen. Sie bleibt mit dem Hintern, der Aaron wohl gefallen haben muss, dicht am Mann und schließt die
     Augen und hofft, dass alles noch ein wenig so zu halten ist. Wie jetzt. Aaron pustet ihr in den Nacken und flüstert irgendwas.
     Und dann dösen sie beide ein, als wären sie ewig miteinander vertraut. Auch wenn es nur eine Stunde ist, die sie so aushalten,
     hintereinander und aneinander, wachen sie beide auf und fühlen sich lebendig.

 
    Juli kramt nun doch in den Kisten. Fotos sind nur wenige da. Ein paar von Henriette, mehr schon von Elisa. Ein Hochzeitsbild
     von Klara und Franz. Auf dem sieht Klara toll aus. Ihre geflochtenen Zöpfe liegen eng um ihren Kopf geschlungen und bauen
     ein Nest aus Haaren. Daran ist ein langer weißer Schleier gesteckt. Franz neben ihr trägt eine Uniform, die Juli in ängstliche
     Erwartung stürzt. So einer also war der Urgroßvater Franz, den sie nie kennengelernt hat. Ein Nazi. Juli rennt zur Hebamme,
     die in der Küche sitzt und Zeitung liest, und zeigt ihr das Foto.
    Du Dummchen, sagt die Hebamme. Das sagt doch noch gar nichts. Es ist eine Wehrmachtsuniform, und du hast mir doch selbst erzählt,
     dass der Mann von dieser Klara im Krieg war.
    Juli nickt und rückt sich wieder gerade. Er sieht aus wie Johannes Heesters, sagt die Hebamme.
    Das hat meine Mutter auch immer erzählt. Dass ihr Großvater aussah wie einer dieser alten Schauspieler. Und dass er darauf
     gebaut hat. Wenn es ans Flirten ging. Juli geht zurück zu ihren Kisten. Ein paar
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