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Alle Zeit - Roman

Alle Zeit - Roman

Titel: Alle Zeit - Roman
Autoren: Kathrin Gerlof
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Auszeichnungen findet sie, Urkunden und Medaillen.
     Ein kleines liniertes Heft, in dem in einer perfekten Handschrift Verse stehen. Vorn steht drauf: Gedichte aus der Gefangenschaft,
     aber davon handeln die Zeilen nicht. Es sind Liebesgedichte, die Franz offensichtlich für Klara geschrieben hat. Sie findet
     Elisas Geburtsurkunde, und da steht drauf, dass der Name des Vaters unbekannt ist. In Julis Vorstellung läuftda jetzt etwas aus dem Ruder. Sie hat noch die Erzählungen ihrer Mutter im Ohr, von dem Vater, der so ein Wissensfanatiker
     war, ein Lexikonauswendiglerner und Schachspieler. Elisa hatte erzählt, dass sie schon mit fünf Jahren Schachspielen gelernt
     hat. Schien ein beliebter Zeitvertreib in der Familie zu sein. Klara muss es auch gut gekonnt haben. Juli spielt kein Schach,
     aber nun nimmt sie sich vor, es zu lernen, damit sie es Svenja beibringen kann. Sie rennt wieder in die Küche zur Hebamme
     und fragt die, ob sie Schach spielen könne. Die Hebamme ist verwundert, sagt aber ja und dass sie hin und wieder mit dem Mann
     eine Partie spiele. Obwohl sie immer verlöre. Aber das Spiel habe etwas Beruhigendes.
    Juli kramt weiter in ihrer Vergangenheit und findet nichts, was auf Klaras Tod hindeutet. Franz ist tot, da liegt eine Sterbeurkunde
     in den Unterlagen. Henriette und Elisa sind tot, die hat Juli selbst begraben, aber Klara ist offensichtlich nur verschwunden.
     Klara Helmstedter, murmelt Juli. Die müsste doch zu finden sein. Geborene Simon. Das klingt aber jüdisch. Juli weiß nicht,
     ob ihr das nun wichtig wäre. Mit dem Jüdischen. Helmstedter ist ja ganz und gar deutsch, und der Franz scheint auch ein strammer
     Deutscher gewesen zu sein. Reimt sich Juli zusammen.
    In der zweiten Kiste, die sie öffnet, findet Juli seltsamerweise eine Kaffeekanne. Nichts Spektakuläres, einfach eine bauchige
     Kaffeekanne mit einer etwas angeschlagenen Tülle und Blümchenmuster. Der Deckel fehlt. Juli hat keine Ahnung, warum die jemand
     aufheben wollte. Ihre Mutter, oder die Mutter ihrer Mutter. Obwohl ihr in diesem Moment das Wort Kaffeekannenkind in den Sinn
     kommt. Aber mehr auch nicht, und vielleicht spielt der Kopf ihr da auch nur einen Streich.
    Unter der Kaffeekanne liegen Schulhefte, die Elisa offensichtlich für ihre Vorbereitungen benutzt hat. Sie war einesehr gewissenhafte Lehrerin. Das weiß Juli noch gut. Wie lange Elisa abends an ihrem Schreibtisch gesessen hat, um Arbeiten
     zu korrigieren oder Vorbereitungen zu machen.
    Es sind doch immer die gleichen Stunden, die du hältst, hat sie einmal gemurrt, als Elisa wieder für irgendetwas keine Zeit
     hatte, weil sie sich vorbereiten wollte.
    Ich halte nie die gleichen Stunden, hat Elisa vorwurfsvoll geantwortet, und Juli wollte ihr kein Wort glauben. Nun sieht sie,
     dass es wohl so gewesen sein muss.
    Zur Beerdigung von Henriette und Elisa sind damals viele Menschen gekommen. Auch eine ganze Reihe Schülerinnen und Schüler.
     Daran erinnert sich Juli jetzt und auch daran, wie sehr sie darüber verwundert gewesen ist. Sie wäre kaum zur Beerdigung irgendeines
     Lehrers oder einer Lehrerin gegangen.
    Die Hebamme klopft an die Zimmertür und ruft, dass Svenja sich gemeldet habe und wahrscheinlich gestillt werden müsse. Juli
     steht auf und tanzt durchs Zimmer, um das eingeschlafene rechte Bein aufzuwecken. Dann geht sie zu Svenja, die mit großen
     Augen an die Zimmerdecke starrt.
    Wir drehen zuerst eine Runde durch die Wohnung, sagt Juli und hebt die Kleine aus dem Bett. Damit du dich hier auskennst.
    Die Hebamme grinst und schüttelt den Kopf. Svenja kennt die Wohnung in- und auswendig, sagt sie. So oft, wie du mit ihr Museumsführungen
     machst.
    Aber sie weiß noch nicht, was in den Schränken ist, ruft Juli und geht mit Svenja in die Küche, wo sie ihr den Inhalt des
     großen blauen Küchenschranks erklärt. Tasse, sagt sie und hält dem Kind das Geschirr vor die Nase. Teller, Glas, Schüssel,
     noch ein Teller.
    Svenja starrt auf alles, was Juli ihr hinhält. Juli stellt sich vor, wie in dem kleinen Kindskopf Bilder von Tassen undTellern und Gläsern abgespeichert werden. Erst einmal nur als Bilddatei und später dann mit den richtigen Lauten. Svenja lernt
     schnell, sagt Juli und schielt durch eine grüne Strähne auf die Hebamme. Die winkt ab und nimmt sich vor, nun endlich mal
     ein vernünftiges Buch über das Lernen zu kaufen. Damit dieses grünhaarige Monster nicht immer so viel Unsinn erzählt.
    Svenja bekommt ihre
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