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Alle Zeit - Roman

Alle Zeit - Roman

Titel: Alle Zeit - Roman
Autoren: Kathrin Gerlof
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denkt Klara. Sie steht mit Aaron vor dem Fahrstuhl und denkt
     an Henriette. Und an Franz, der damals nicht mehr gesprochen hat. Lange Zeit nicht. Aaron nimmt Klaras Hand, als die Fahrstuhltür
     aufgeht, und lässt sie auch nicht los, als sich die Tür wieder schließt. Er öffnet die Zimmertür mit einer Plastikkarte, als
     hätten sie es im Heim genauso geregelt. Ganz routiniert. Und dann stehen sie im Zimmer und sind für einen Moment völlig konfus.
     Was soll nun als Nächstes getan werden?
    Klara streift ihre Schuhe ab und setzt sich aufs Bett.
    Ich schlage vor, sagt Aaron. Dass wir beide nacheinander ins Bad gehen, und hier machen wir nur das kleine Licht da hinten
     an, und dann trinken wir im Bett noch ein Glas Wein.
    Klara denkt, dass es so funktionieren könnte. Für den Anfang. Sie geht ins Bad und steht da erst mal vor dem Spiegel und schaut
     sich an, was von ihrem Gesicht vom Nachmittag noch übrig ist. Eine ganze Menge. Ausreichend. Sie geht noch einmal zurück ins
     Zimmer und kramtin der Tasche, bis sie das Nachthemd gefunden hat, und geht wieder zurück ins Bad. Geduscht hat sie heute schon, das ist jetzt
     also nicht mehr nötig.
    Klara zieht sich langsam aus, geht auf die Toilette, überlegt zehn Sekunden oder länger, ob sie jetzt wirklich die Spülung
     drücken soll. Dann weiß er ja, was ich gemacht habe, murmelt sie und wundert sich, dass ihr das peinlich ist. Sie dreht den
     Wasserhahn am Waschbecken weit auf, bis es laut rauscht, und drückt dann die Toilettenspülung. Die macht mehr Lärm als der
     Wasserhahn, und nun kommt sich Klara gleich ganz dumm vor. Sie kämmt sich die Haare und zieht sich das Nachthemd über den
     Kopf und kämmt sich dann noch einmal die Haare, weil die nun wieder durcheinandergeraten sind und das ein wenig Zeit bringt.
     Den Büstenhalter hat sie angelassen, so sieht sie auch im Nachthemd besser aus. Und den Schlüpfer lässt sie ebenfalls an Ort
     und Stelle.
    Als sie aus dem Badezimmer kommt, sitzt Aaron auf dem Bett und trinkt Wein. Er liest in einem Prospekt oder einer Zeitschrift
     und schaut nur kurz zu Klara und lächelt ihr zu und sagt: Das ist ja ein ganz reizendes Nachthemd.
    Und da muss Klara lachen, denn das Nachthemd ist eher reizlos. Hat nur eine kleine Spitze am züchtigen Ausschnitt, der ein
     winziges V schreibt. Klaras Waden lassen sich unter dem Nachthemd auch nicht verbergen, dafür aber der Büstenhalter, der eine
     Prothese ist und an dem auch heute Abend nicht gefummelt werden darf. Wenn es nach Klara geht.
    Aaron verschwindet im Bad, und Klara hört schon nach wenigen Sekunden die Klospülung rauschen und denkt, dass sie sich nicht
     hätte so zu haben brauchen, wenn dem Aaron das alles ganz natürlich erscheint. Der steigt unter die Dusche und fängt da an,
     ein Lied zu pfeifen, vonHeinz Rühmann, glaubt Klara, dem Herzensbrecher. Sie gießt sich ein Glas Wein ein und versucht, sich aufs und ins Bett zu
     drapieren. Deckt nur die Füße ein wenig zu und setzt sich mit dem Rücken an die Wand. Zupft noch das Nachthemd zurecht und
     wartet auf Aaron, der im Schlafanzug aus dem Bad kommt. Kurze Hose, kurzärmliges Oberteil. Blau und weiß.
    Du bist ja ganz braun, sagt Klara. Wie hast du denn das gemacht? Aaron sagt, er setze sich hin und wieder im Heim auf die
     Terrasse, wenn die Sonne scheint. Da bin ich dann meistens allein, weil die Alten keine Sonne vertragen. Behaupten sie jedenfalls.
    Aaron kommt zum Bett, zieht etwas an der Decke und bittet Klara, ihn reinzulassen und unter die Decke. Dann sitzen sie beide
     nebeneinander, mit den Rücken zur Wand, und Klara nimmt Aarons Hand und streichelt sie. Erst die Hand und dann den dazugehörigen
     Arm. Dann schiebt sie ihre Finger unter den kurzen Ärmel, um mal zu fühlen, wie sich Aarons Schulter anfasst.
    Soll ich das denn ausziehen, Klara, fragt der, und Klara nickt. Ohne Hemd sieht Aaron wie ein durchtrainierter alter Mann
     aus. Seine Brust ist etwas eingefallen, und die grauen Haare darauf kräuseln sich leicht und sind ganz weich. Klara wickelt
     sie um den Zeigefinger, zieht zart daran, bis Aaron einen Ton von sich gibt. Dann steckt sie den Zeigefinger in seinen Nabel
     und rührt ein bisschen drin herum.
    Aaron dreht sich so, dass er Klara anschauen kann, und fragt, ob sie ihr Nachthemd für ihn ausziehen würde.
    Aber nicht, sagt Klara, und er schüttelt den Kopf. Das weiß er ja nun, und es gibt keinen Grund, an die Tabuzonen zu gehen.
     Sie zieht das Nachthemd über den Kopf
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