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Alle Wege führen nach Rom

Alle Wege führen nach Rom

Titel: Alle Wege führen nach Rom
Autoren: Adalbert Seipolt
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er wirklich müde, müde vor
Hunger — ich werde ihm morgen heimlich eine Wurstsemmel in die Rocktasche
schieben —<
    Da, auf einmal — irgendwer muß in der Reiseleitung
versehentlich auf den Knopf des Mikrophons gedrückt haben — braust die Stimme
des Monsignore durch den Lautsprecher: >Herz sticht!< Und ein >Kontra!<
aus dem Munde des Hopfenbauern. Die frommen Pilger schauerten zusammen, die
schläfrigen schreckten hoch, Frau Schulrätin wollte die Notbremse ziehen. Die
gute Annaberta dachte sich nur: >In der Reiseleitung sind s’ halt mit dem
Rosenkranz schon fertig.<

II Von den Reizen
der verschleierten Florentia oder
warum Schwester Annaberta nachts ihren
Grabstein schaute
     
     
    Weiß der Kuckuck, was die Florentiner in diesem
Jahre des Heils ausgefressen hatten, daß ihr Stadtpatron Sankt Johannes
Baptista sich genötigt sah, ihnen an seinem Namenstag alle Wasser des Jordan
über Dächer und Häupter zu schütten. Die Florentiner mochten die Buße ja
verdient haben — doch unsere braven deutschen Romfahrer wollten nicht
begreifen, daß auch sie darunter leiden mußten. Bei wolkenlosem Sternenhimmel
waren sie gestern abend in ihr Quartier eingezogen, todmüde von der langen
Bahnfahrt, aber voll Hoffnung auf einen schönen Tag. Und nun blickte die
Pilgerherde Monsignore Schwiefeles je nach Temperament verschieden
schafsgeduldig, lammfromm oder bockswild zum naßgrauen Himmel empor. Alle
Regenwolken Italiens gaben sich über der Toskana ein Rendezvous. Florentia, die
Blühende, gebärdete sich wie eine stolze Dame von Adel, die sich nur durch
einen Schleier bewundern läßt. Beim spartanischen Frühstück pendelte die
Stimmung der Pilger noch zwischen Wut und Hoffnung. Schließlich hatte die
Wettervorhersage für die Apenninenhalbinsel Sonnenschein und nur strichweise
Regen verheißen. Lange würde also die Misere gar nicht dauern können. Als ein
geometrisch Begabter daran erinnerte, daß es sehr lange, ja unendlich lange
Striche gebe, brachten ihn böse Blicke zum Verstummen.
    So rückte man denn mit geborgten Regenschirmen zur
Stadtbesichtigung aus. Die Reiseleitung hatte das Programm sorgfältig
ausgewählt. Durch hundert Erfahrungen gewitzigt, schlug der Monsignore einen
weiten Haken um die Uffizien und ähnliche Stätten, wo die Zeugen der Antike und
Renaissance die Gemüter bayrischer Bäuerinnen und schwäbischer Postschaffner
verwirren könnten. Die Überraschung darüber, was an Satyrn und Bacchanten sich
alles unter den Fittichen der Kirche tummelte, käme in Rom, wo sie nicht zu
umgehen war, noch immer früh genug. In Florenz konnte man getrost darauf
verzichten, bot doch die Stadt in ihren Kirchen und Klöstern an Kunst
übergenug, mehr als schönheitsdurstige Deutsche an einem Vormittag zu verdauen
vermögen. In jeder Kirche bestürmte Annaberta den Himmel, doch ein Einsehen zu
zeigen und ihren sonnenhungrigen Landsleuten jenes Quantum an Licht und Wärme
zu bescheren, das im Preis der Pilgerfahrt mit inbegriffen war und zu ihrem
Gelingen gehörte. Umsonst. Es regnete, als sie nach San Marco gingen; es
regnete, als sie aus San Marco kamen; es regnete, als sie vor dem David des
Michelangelo standen; es regnete, als der Kaplan Ghibertis Türen erklärte; es
regnete vor San Lorenzo und hinter Santa Croce; es regnete auf dem Ponte Vecchio
und bei der Signoria; es regnete vormittags; es regnete nachmittags; der
schmutzige Arnofluß schwoll zum fetten gelben Jangtse an. Wen wundert da die
miserable Stimmung unserer Pilgerschaft beim Abend tisch? Und als Herr
Birnmoser die grollenden Opfer der Florentiner Sünden durch einen Hinweis auf
das schöne Wetter im übrigen Italien zu trösten suchte, hätten ihn die Pilger
am liebsten mit Blicken erdolcht. Wahrhaftig ließ sich mit dem Fernglas schon
seit Stunden im Westen die Grenze der Wolkendecke erkennen. Doch da die Wolken
von Süden nach Norden zogen, half das wenig. Überhaupt setzte nun die
Opposition zum Generalangriff an. Die Meckerer witterten Morgenluft,
bemängelten dies, bekrittelten das. War dem einen das Tagespensum zu
ausgedehnt, so dem anderen zu kurz bemessen. Die eine Dame klagte über das
ölige Essen, einer zweiten war es zu trocken. Sogar die Schulrätin wurde
aufsässig und wollte wissen, warum man ihnen die Uffizien vorenthalten habe. Wo
speise übrigens der Monsignore? Man sehe ihn gar nicht. Vielleicht bei einem
florentinischen Prälaten? Und er habe doch gelobt, Freud und Leid mit seinen
Pilgern zu teilen. — Männer, die
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