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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter
Autoren: Hans G. Bentz
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auf dem Hintersitz, lächelte mir etwas mühsam zu, stieg aus und warf — peng! — die Tür zu. Und — peng! — hatte ich die Fensterkurbel auf dem Schoß.
    »Jetzt gib nicht so an, Muckelchen«, sagte ich wütend, »allmählich geht mir das auf die Nerven, verstehst du? Neuerdings darf man wohl schon nicht mehr denken, was? Na ja — weine nicht — wir behalten dich, selbst wenn...«
    Hier trat ich endgültig meiner Phantasie in die Bremsen. Du lieber Himmel — es war doch wirklich noch nicht soweit! Ich saß da auf der Straße, vor einem Geschäft, in dem meine Gefährtin eine Stellung suchte, in einem Wagen, dessen Reparaturen ich vielleicht bald nicht mehr bezahlen konnte, und mit einem von drei Hunden, für die ich dann keine Heimat haben würde.
    Ich starrte auf die Ladentür, die sich hinter Frauchen geschlossen hatte. Wenn sie nun keinen Erfolg hatte? Vielleicht war das Ganze nur so ein Gerede unter Frauen? So weit war ich also schon gesunken, daß ich von Weibergerede abhängig war!
    Plötzlich fuhr mir etwas Heißes, Feuchtes über den Nacken, während zwei dürftig behaarte Beine meinen Hals von hinten umarmten. Es schien mir, als schiebe eine große Hand alle meine Kümmernisse weit weg, daß sie über den Horizont kippten und irgendwo dort hinten verschwanden.
    Ich nahm seine Arme vorsichtig von meinen Schultern, drehte mich um, noch immer seine Pfötchen haltend, und sah ihn mir an, wie er da auf dem Rückpolster aufrecht hockte. Ein kräftiger, schlanker Hund von Pudelgröße, die Figur schön, muskulös, ohne jedes Fett, selbst in der Ruhe die Schnelligkeit des Pfeils ahnen lassend. Nur die äußere Ausstattung seines Fahrgestells war dürftig. Die silbergrauen Pluderhöschen um die eisenharten Schenkel waren aufs äußerste knapp bemessen. Der Bauch schimmerte kahl, und unter den Vorderarmen hatte man die Haare überhaupt gespart.
    »Mein Fliegenbein«, sagte ich gerührt, »mein Fünfzig-Pfennig-Hündchen!«
    Er wackelte im Sitzen mit dem Schwanz, und selbst der Schwanz brachte es fertig, dürftig auszusehen, als sei er sich bewußt, daß er nur eine Mission habe: anzuzeigen, wo bei diesem Hund hinten war.
    Das Gesicht aber, das mich jetzt anlachte, dieses Gesicht ließ alles andere vergessen. Dieser Zusammenklang des schmutzigroten Ziegenbartes mit dem schwarzen Pigment des Gaumens, den schneeweißen Haifischzähnen und der Zunge, die dunkelrot zur Seite heraushing, war so grotesk, daß es schon wieder schön wirkte. Dazu das rußschwarze Näschen und die ulkige silbergraue Stirnlocke, die einzige, die er von der mütterlichen Pudelseite her zustande gebracht hatte. Was aber war das alles gegen seine Augen! Sie konnten traurig blicken wie die Augen eines jüdischen Priesters, der den Untergang Jerusalems sieht, konnten Teufelsaugen voll grausamer Wildheit sein und konnten auch über einen hinweg in visionäre Weiten starren, wo die Elementarwesen, die noch kein Mensch mit leiblichen Augen sah, im Strom der Kräfte auf und nieder steigen. Sie konnten aber auch — wie jetzt — zwei Sonnen sein, die mich voll brennender, unbändiger Liebe anstarrten.
    Ich warf einen kurzen Blick auf die noch immer geschlossene Ladentür und den Strom der fremden Menschen, der draußen vorüberfloß. Dann sagte ich: »Hopp!«, und eine Sekunde später saß Peter auf meinem Schoß. Ich nahm sein Köpfchen an meine Brust und streichelte den Rücken, der sich wohlig unter meiner Hand verzog:
    »Ach, mein kleines Äffchen«, sagte ich, »weißt du noch, als Frauchen dich damals brachte, mitten im Winter? Nicht größer als eine Ratte warst du damals, und der kleine Löwe wußte zunächst gar nicht, was er mit dir anfangen sollte. Bis dahin war er Alleinherrscher gewesen, und nun kam da so ein kleines, mauzendes Etwas auf ihn zugewackelt und suchte in seinen Bauchzotteln nach den mütterlichen Milchquellen. Welch lächerliche Situation für einen Diktator! Und weißt du noch, die erste Nacht mit ihm in der Küche? Die halbe Nacht ging es wüst da drinnen zu. Alle miteinander, die Mama, Mathilde, Frauchen und ich, kamen in die Küche und knipsten das Licht an, um zu sehen, ob noch etwas von dir übrig sei. Cocki lag auf der Seite, du lagst auf seinem Bauch, und rundherum waren Dutzende von Pfützen, die du angelegt hattest. >Luftaufnahme von Finnland!< sagte ich und schloß leise die Tür.
    Und dann, später, zeigte dir Cocki, wie man das Bein hebt und daß man sich seine Würstchen und Seen nicht für die Wohnung
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