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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter
Autoren: Hans G. Bentz
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aufhebt und nicht einmal für den Garten, sondern sie draußen außerhalb des Gitters erledigt. Eines Tages machtest du mit Herrchen den ersten Spaziergang. Du warst noch immer nicht mehr als ein kleiner Punkt, und die Leute lachten, wenn sie unseren Vorbeimarsch sahen. Herrchen wollte ihnen wenigstens mit deiner Folgsamkeit imponieren, aber als er pfiff, ranntest du weg. Auch das hatte dir Cocki beigebracht. Ich möchte bloß wissen, was er dir damals erzählt hat. Wahrscheinlich: >Wenn der lange Lulatsch diesen komischen Laut ausstößt, kümmere dich nicht darum. Er ist ‘n ganz netter Kerl, aber er hat manchmal so blödsinnige Ideen: Bei Fuß gehen oder Vorsicht, Auto, du mußt das ignorieren, er kann nichts dafür.<
    Für Cocki hattest und hast du noch heute jenen ganz besonderen Blick, den du keinem von uns Menschen schenkst. Warum? Was ist das in dir? Die große Liebe? Das Schicksal? Beides vielleicht. Ach, Peterle, wir leben doch nun so eng miteinander, und was wissen wir im Grunde voneinander? Manchmal kommt’s mir vor, als seist du ein Stück von mir, und manchmal wieder, als lebten wir auf ganz verschiedenen Planeten.
    Aber du hast dich nie in deiner Liebe zum Dicken beirren lassen. Wenn ihr auch nur ein paar Stunden voneinander getrennt seid, dann ist es für dich, als sei die Sonne untergegangen, und wenn ihr euch dann wiedertrefft, fällst du ihm um den Hals, als wäret ihr Jahre getrennt gewesen. Siehst du denn gar nicht das unverschämte Gesicht dieses Kerls, diese gespielte Gleichgültigkeit, mit der er deine Liebkosungen hinnimmt?«
    Gespielt? Ja, sie ist gespielt, diese Gleichgültigkeit! Wenn ich’s mir jetzt überlege, weiß ich es ganz genau. Er liebt dich auch, wenn auch ganz anders, auf Diktatorenweise. Wenn er nach Hause kommt, und du bist mal nicht da, dann solltest du die gefurchte Stirn sehen, mit der er um sich blickt, als wollte er sagen: »Wo ist er denn, der Kerl, zum Donnerwetter!« Er watschelt durch alle Zimmer und in alle Gartenecken und sucht dich, und wenn du dann kommst und ihm um den Hals fällst und ihm die Ohren leckst und dich unter seinem Hals durchwindest und dich vor ihm niederwirfst und ihm deinen kahlen Bauch zeigst, dann hat er etwas in seinen Löwenaugen, etwas, das er gleich wieder versteckt, damit du nur ja nicht merkst, wie sehr auch sein Herz an dir hängt. Aber du merkst es natürlich. Und vielleicht ist das das Geheimnis: Die große Liebe. Vielleicht, daß ihr so das Gebot Gottes mehr erfüllt als wir Menschen, die wir eure Götter sind.
    Während mir diese Gedanken durch den Kopf gingen, streichelte ich mechanisch Peterles Rücken. Nach einer Weile drehte er sich auf meinem Schoß um, steckte den Kopf zwischen die Pfoten und begann selig zu schmatzen. Meine Gedanken glitten allmählich von ihm ab und meinem neuen Werk zu. Plötzlich aber richtete er sich steil auf und versetzte mir einen stilechten Kinnhaken, daß ich schon dachte, ich hätte einen meiner wackligen Backenzähne auf der Zunge. Dann fuhr er keifend gegen die Scheibe. Was war denn los? Ach so, ein kleiner Junge war am Wagen stehengeblieben und hatte die Klinke angefaßt.
    Ich betrachtete Peter halb erstaunt, halb amüsiert. So war er doch sonst nicht? Das tat doch nur Cocki! Und da, als er mich mit so einem ganz erwachsenen Blick voller Verantwortungsglück ansah, verstand ich ihn: Er war endlich einmal allein mit mir, der Alleinhund, der mit niemandem zu teilen brauchte. Ja, wirklich, solange ich zurückdenken konnte, hatte er kaum zwei-, dreimal einen Menschen für sich allein gehabt. Nun genoß er es, nun schwelgte er. Jetzt war er der Boß und für mich und mein Eigentum verantwortlich. Jetzt mußte er mir alle anderen ersetzen, vor allem Cocki. Er mußte mich bewachen, verteidigen und trösten. Ach, er hatte ja plötzlich so unheimlich vieles und Wichtiges zu tun! Und das mindeste, was ich von mir aus tun konnte, war, ihn dabei ernst zu nehmen: »Ja, ja, Peter«, sagte ich (ganz ernst >Peter<, nicht >Fliegenbein< oder >Affenauge< oder so was Ähnliches), »paß schön auf!«
    Er war so gerührt, daß er mir die Pfote reichte, sprang dann sofort auf und machte noch einmal die Runde im Wagen. Glücklicherweise entdeckte er auch einen im Passantenstrom vorbeitrottenden Schäferhund, den er heftig zurechtweisen konnte. Der Schäferhund blieb stehen, schaute auf und stellte ein Ohr nach vorn. Peter erklärte ihm ungefähr: »Das hier ist unser Wagen, verstehst du, du dickes, vollgefressenes,
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