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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter
Autoren: Hans G. Bentz
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erstes Würstchen auf unseren Teppich legte. Damals glich er mehr einer Ratte als einem Hund. Heute ist er ein starkes, schnelles Tier, aber Cocki ist sein angebetetes Idol geblieben. Noch heute läßt Peter ihn ohne Knurren aus seinem Teller fressen, fällt er ihm um den Hals, wenn sie kurze Zeit getrennt waren, windet er sich demütig zu seinen Füßen, wenn der Diktator die Löwenstirn runzelt.
    Noch ein dritter liegt dort in der Diele, gleich neben der Kellertreppe, unser Jüngster: Weffi, Drahthaarfoxl, ein bildschönes, leicht dekadentes, ganz auf Mensch eingestelltes Persönchen. Alle Versuche Cockis, ihn zu unterwerfen, prallten an ihm ebenso ab wie Peters wütende Eifersuchtsanfälle im ersten Jahr. Nach wilden Schlachten, bei denen besonders die unbeteiligten Menschen viel Blut lassen mußten, haben sich die beiden anderen allmählich an ihn gewöhnt. Sie behandeln ihn als einen leicht schwachsinnigen, aber harmlosen Sonderling, der immerhin zu ihnen gehört. Sie verteidigen ihn sogar gegen andere Hunde, denen gegenüber Weffi ziemlich hilflos ist, weil er in seiner träumerisch-kindlichen Verspieltheit und in seinem Glauben an die Güte aller Kreatur mit dem Zurückbeißen immer zu spät kommt.

    Peter ist wach um diese späte Stunde. Er ist der einzige, der auch jetzt, im warmen August, unter einem Deckchen schläft, ganz dick eingemummelt. Das hat er noch aus der Zeit seiner Jugend beibehalten, als er so ein kleines, erbärmliches, ewig frierendes Etwas war. Er hat das Köpfchen mit dem silbergrauen Haarpuschel erhoben und starrt mit seinen seltsamen großen Affenaugen unter der Decke hervor. Er hört alles: die Tropfen, die aus dem immer undichten Wasserhahn draußen in das Bassin fallen, das Rascheln der Igelstacheln im Laub, das Flattern der Nachtfalter um die große Straßenlaterne.
    Peters Augen wandern langsam umher. Sie sehen Cocki, der vor der Kommode auf dem Bauch liegt, die Beine wie ein toter Frosch nach hinten gestreckt, den Kopf schief neben die dicken Vorderpfoten gepackt, das Auge mit einem der riesengroßen Ohren zugedeckt. Er schnarcht wie eine Brettsäge, die an einen Knorpel stößt. Zwischendurch imitiert er auch eine pfeifende Lokomotive und einen überkochenden Kessel. Bei diesem Kesselgeräusch bläst er seine dicke Flappe mit den Katerborsten auf. Den Platz vor der Kommode hat er sich gewählt, weil er da noch im Schlaf die kostbaren und so schön grün verschimmelten Knochen bewachen kann, die er aus der ganzen Nachbarschaft unter die Kommode schleppt.
    Auch Weffis Platz neben der Kellertreppe hat seinen Sinn. Dort ist er nämlich möglichst weit weg von dem Schirmständer. Schirme sind ihm fürchterlich. Es sind Dämonen. Wenn Herrchen mit so etwas nach einem zielt, ist es erst ganz winzig, nur eine Spitze, und dann rauscht und knarrt es, und mit einem Ruck ist es ganz groß, und man kann sich nur mit eingezogenem Hinterteil vor diesem furchtbaren Plustergespenst retten, bevor es einem etwas ganz Entsetzliches antut. Dabei war man doch gerade so schön dabei, ein Loch in Herrchens Schuhe zu knipsen oder ihm wenigstens die Senkel aufzuziehen.
    Schuhe sind nämlich für Weffchen etwas ungeheuer Ulkiges. Wie sie so auf einen zukommen, dumm und blind und plump und doch nach lebendigem Leder riechend — zum Schreien komisch. Und Weffchen schreit denn auch jedesmal, wenn Herrchen mit ihm spazierengeht, schrill, unaufhörlich: »Weff-weff-weff.« Zwischendurch versucht er in die dummen Schuhdinger zu zwicken. Dazu schimpft Herrchen, daß es eine wahre Lust ist. Nur die Kieselsteine, die er einem auf den Po brennt, mindern das Vergnügen und eben — wenn es draußen regnet — der Schirm, der fürchterliche.
    Peter betrachtet Weffi eine lange Weile und von der ganzen Höhe seiner ewig rätselhaften und melancholischen Seele. Wie dieser Hanswurst da an die Wand geklebt liegt, die dicken Fellbeine steif in die Luft gereckt, findet Peter ihn unsäglich albern. Jetzt wackelt er mit dem weißen Kastenbart, knurrt und fletscht die Zähne, die einem Wolf alle Ehre machen würden. Nur daß er damit nicht zu beißen versteht. Seine Plusterhosen zittern: er träumt. »Wiff-wiff«, macht er leise, ein dünnes Welpenbeilen. Wahrscheinlich hat er im Traum ein Wild gestellt — was er so ein Wild nennt. Nicht etwa Reh, Fuchs oder Hase, wie Peter und Cocki, sondern eine Maus, einen Frosch oder eine große Heuschrecke. Kindisch. Aber Peters Augen sehen noch mehr, sehen vielleicht Dinge, die ein
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