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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter
Autoren: Hans G. Bentz
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ihn an. Keiner nahm den anderen ernst, aber es machte Spaß. Jetzt sah Peter zu mir auf und begrüßte mich, indem er seinen ruppigen Schwanz einmal über den Steinboden fahren ließ. Ich sah den Zweifel in seinen Augen: Was sollte er tun? Weiter auf den Briefträger warten oder zu mir nach oben kommen und mit mir turnen?
    »Du wirst noch mal aus dem Fenster fallen«, prophezeite die Mama von unten.
    Da kam gerade der Dicke über die Straße auf die Gartentür zu, die er sich geschickt mit der Tatze öffnete. Er hatte die erste Mülltonnentour hinter sich und brachte etwas Entsetzliches mit: ein dickes weißliches Darmgeschlinge, das ihm zu beiden Seiten aus dem Maul hing. Peter rannte ihm entgegen und leckte ihm, den Schwanz demütig zwischen die Beine gesteckt, über Stirn und Ohr. Cocki zog die Flappe kurz hoch, weil Peter dabei in bedrohliche Nähe seines Darmgeklunkers geriet, und schlug einen Bogen um die Mama, die sich empört auf ihn stürzen wollte: »Gibst du das her, dieses scheußliche Zeug!«
    Der Dicke machte einen katzenhaften Satz und verschwand im Haus, ihm voraus eilte das Gezeter der Mama: »Mathilde — nehmen Sie’s ihm weg, bevor er’s unter die Kommode schleppt!«
    Ich trat vom Fenster zurück und begann meine Morgenübung: zwölf Liegestütze, auf die ich unbändig stolz war, und dreimal Kerze mit Auf stehen ohne Gebrauch der Arme (noch stolzer). Beim ersten Liegestütz flog die Tür auf: Peter. Er hatte einen Tannenzapfen mitgebracht und wollte ihn geworfen haben. Ich tat es und traf genau den Federreiniger auf meinem Schreibtisch, dessen etwa zweihundert Glaskügelchen sich über das ganze Zimmer verteilten. Während ich sie zusammenschippte, warf er mir unentwegt wieder den Tannenzapfen hin. Ich fluchte, aber dann überlegte ich, daß meine Ungeschicklichkeit ja schließlich kein Grund sei, ihm sein Spiel zu verderben. So warf ich den Zapfen noch mal. Diesmal rollte er unter den Bücherschrank. Peter kniete sich davor und versuchte vergeblich, ihn mit seinen dünnen Ärmchen vorzuangeln. Ich probierte es mit der Hand, aber es ging auch nicht. Darauf nahm ich das Papiermesser und versuchte, damit nach dem Zapfen zu schießen. Der Erfolg war, daß auch das Papiermesser unter dem Schrank verschwand. Es blieb nichts anderes übrig, als den Schrank abzurücken. Ich sah auf die Uhr: acht Uhr dreißig. Also: einmal Schrankabrücken konnte man mit ungefähr vier Liegestützen berechnen. Hatte ich noch sieben zu machen. Endlich hatten wir den Zapfen wieder. Peter nahm ihn in sein Maul und warf ihn mit selig verdrehten Augen ganz nach hinten in den Rachen. Dann schmiß er sich auf den Rücken und hielt ihn über sich, und schließlich warf er ihn selbst wieder unter den Bücherschrank, um die Sache aufregender zu machen. Währenddessen war ich bei dem zehnten Liegestütz angekommen (minus vier für Schrankrücken). In diesem Augenblick kam Weffi herein und stellte sich sofort unter meine Brust: ich war seine Höhle.
    In Peters Gesicht erlosch alle Seligkeit. Er sah mich nur kurz und traurig an: Schade, er ist schon wieder da, der Hanswurst. Wir können nicht weiterspielen.
    Schweigend ging er aus der Tür und traf dort auf den Dicken, dem eine merkwürdige Geruchsmischung vorauswallte. Außerdem sah ich, daß er bis hinauf zu den Gelenken schwarze Sumpfhandschuhe angezogen hatte. Der Geruch war teils altes Eingeweide, teils Sumpf. Und dann war noch ein pikanter Schuß dazwischen, etwas Scharfes, fast medizinisch Riechendes — oh, jetzt wußte ich: Schafkötel. Er war also nicht nur bei den Mülltonnen gewesen, sondern hatte auch gleich einen Schlenker auf das angrenzende Feld gemacht, sich in Schafdünger gewälzt und anschließend im Graben gesuhlt — oder umgekehrt.
    Da ich die beiden letzten Liegestütze nicht machen konnte, weil Weffi sich den Rücken an meiner Brust rubbelte, ging ich zur Kerze über und versuchte mit dem nötigen Geächze, meinen Körper möglichst steil aufwärts zu stemmen. Cocki legte sich aus Sympathie direkt neben mich auf den Rücken, Gesicht an Gesicht, Weffi kroch gleich hinter meinen Rücken, so daß ich die Beine nicht mehr herunterlassen konnte. Purzelbaum hintenüber? Dann landete ich im Bücherschrank. Also seitwärts umfallen lassen! Dabei schlug ich mit den Füßen auf den Schreibtischrand, und der Federputzer mit den zweihundert Glaskügelchen fiel zum zweitenmal um. Als mein Schmerzgewimmer über die Berührung mit der Schreibtischkante abgeklungen war,
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