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Allawa

Allawa

Titel: Allawa
Autoren: Unknown
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an und nahm sein Wohlmeinen, sein Wohlerwarten wieder auf.
    Auch abgesehen von unpraktischen Folgen hielt ich alles Scharfmachen für verfehlt. Schutzhundrassen brauchten meiner Meinung nach nur Liebe, Nähe — und allgemeine Mutproben wie für kleine Buben — um in Ernstfällen richtig zu reagieren. Die harten Naturgesetze von Mißtrauen und Kampf waren aufgehoben; ich sah nicht ein, warum wir den Hunden neues Mißtrauen beibringen sollten, das in unseren Menschenverhältnissen gesetzlos entarten mußte. Der Sinn des Haustierlebens schien mir zu sein, daß wir Freundlichkeit und Vertrauen in ihnen entwickelten, anstatt heruntergekommene Raubtiere aus ihnen zu machen.
    Ein Hundefachmann, der Allawa längere Zeit beobachtet hatte, schrieb später in einem Artikel, daß diese Rasse auch sehr leicht »von Damen geführt« werden könne, wie er selbst gesehen habe. Mir schien das nicht ganz zutreffend, nur soweit als ich keine Dame war. Ich konnte immerhin einen Hund am Kragen packen, planmäßig meinen Willen bei ihm durchsetzen und dergleichen, was dann meist nicht mehr nötig ist, wenn man es kann. Ich hielt Bullmastiffs für Hunde, die eine feste Hand kennen müssen — eine Hand im Hintergrund, vielleicht nie angewendet — um so »absurd tolerant« zu werden, wie es ihre bessere Natur ist.

    In dem gemieteten Haus, wo wir keinen Hund halten sollten, diente mein Wohnzimmer oft als Hundeschlafsaal. Fast immer herrschte Eintracht; Allawa wusch sämtliche Eßgeschirre ab, und ein Dackel, der alljährlich kam, grub sämtliche Betten um. Tagsüber saßen die Gäste gern links und rechts an mich gelehnt, Allawa lächelte von weitem. Vielleicht fand er sie sentimental, es war nicht sein Stil, aber er verstand, daß man von außen haben muß, was man innerlich noch nicht sicher hat. Mochten sie mich treppauf, treppab und zum Einkäufen begleiten, wenn das ihre Seligkeit war.
    Einige untereinander gleichrangige Hunde schlugen gelegentlich Handgemenge vor, aber es genügte, sie im Auge zu behalten, rechtzeitig ein Wort zu rufen, auch gemeinsam zu exerzieren. Ich hatte nie mehr vergessen, warum die große Rauferei zwischen Primus und Cid entstanden war: niemand achtete auf die Hunde, fünf Menschen standen im Zimmer, beides war ungünstig. Ich hätte damals wissen müssen, daß die beiden nach der Mausjagd ein Auge Gottes über sich brauchten, solange die Spannung nicht gelöst war. Jetzt kannte ich alle meine Pappenheimer, und die streitbaren fühlten sich gesteuert.
    Allgemein vermied ich Getümmel; ich hatte nie den Eindruck, daß jaulende Menschen den Hunden gut tun, wir sagten häufiger »Ruhe, Ruhe« als aufhetzende Zärtlichkeiten. Rivalen sperrte ich weg, bevor Hunde-Abholer kamen, die darin schwelgten, daß ihr Unzögling außer sich geriet; dann gefährdeten seine Freudenschreie den Frieden nicht. Dasselbe vor der Ankunft von überschwenglichen Hundebringern. Jeder voraussehbare Begeisterungs-Tornado veranlaßte mich, labile Pensionäre zu evakuieren, und deshalb vielleicht kam es in all den Jahren zu keinem einzigen Zwischenfall.
    Auch Apportieren um die Wette mutete ich unerprobten Freunden nicht zu, sah im Wald mißbilligend, wie gedankenlos manche Besitzer aufs Geratewohl Stöckchen warfen. Sie hatten noch nicht erlebt, was durch ein gemeinsames Jagdobjekt (siehe Maus) ausgelöst werden kann.
    Eine weitere Sicherung war, Allawa immer zuerst in den Wagen steigen zu lassen: die Knurrer oder Schnapper verteidigen ihren Sitzplatz, wenn ein zweiter hereinspringt, aber als Nachfolger sind sie bescheiden. Wäre Allawa weniger gutmütig gewesen, so hätte ich die andere Regel befolgt: daß der Wagenbesitzerhund nach den andern einsteigen muß, damit er sich nicht als Verteidiger gebärdet.
    Wenn ich an der Wagentür stand und die Reihenfolge der vier oder fünf je nach Charakter bestimmte (Meis Vater, der alte Zankhahn, natürlich zuletzt), so hatte ich oft das Gefühl, daß vor allem dieses Bestimmen an sich zählte, nicht meine Unfehlbarkeit. Die Hunde wußten, daß ich mir etwas dabei dachte, etwas wollte, und das allein war es, was Frieden stiftete. Oder eben ich selbst wußte, daß ich mir etwas dachte, und hatte deshalb die Führung.
    Dieser Verdacht lag nahe: daß nur wir selbst uns gewisse Stützen schaffen, um Sicherheit zu fühlen, die dann unmittelbar auf die Hunde wirkt. Die Verständigung, die Übertragung spielt sich nicht auf der Ebene ab, wo wir uns etwas dazu denken. Warum schnappt ein bockiger Hund
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