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Allawa

Allawa

Titel: Allawa
Autoren: Unknown
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in einer Ecke des Schlafzimmers. In einer Nacht, als ich noch las, so gegen zwei, trat er zu mir und schaute mich tief an, dann in das stille Wohnzimmer und wieder in meine Augen. Sein Blick war seherisch ernst, todernst, nicht auffordernd. Ich verstand, daß er den Tod roch, und ging zu der Hündin. Er hatte richtig geahnt, eine schlimme Wendung war eingetreten. Wir blieben wenigstens bei ihr, mehr war nicht zu helfen. Am Morgen fuhr ich sie rasch zum Tierarzt — ihre Leute trauten sich den Abschied nicht zu. Allawa blickte drei Tage lang schwermütig in die Ferne, bis er sich uns wieder zuwandte.
    Ein früherer kleiner Todesfall hatte ihn nicht berührt, vielleicht weil er damals kaum einjährig war. In dem Sommer produzierten Meis Eltern noch einmal Junge, und wieder erkrankte ein Welpe an derselben Drüsenvereiterung wie Mel. Ich pflegte ihn, aber diesmal entstand keine magische Verbindung, vielleicht weil ich einen eigenen Hund, vor allem, weil ich Menschenbesuch hatte. Allawa wachte zwar liebevoll an dem Spankörbchen, aber der Welpe verfiel in den absinkenden Schlaf, und als ich ihn töten lassen mußte, ging Allawa sofort zur Tagesordnung über. Mich dagegen bedrückte es schwer, daß nicht jeder Rettungsversuch glückt, ja daß man nicht einmal unter allen Umständen dieselbe Konzentration zustandebringt .

    Zweimal im Jahr machten wir Verwandtentourneen. Jedesmal wuchs meine Überzeugung, daß wir mit Allawa besonderes Glück gehabt hatten. Eine Bullmastiff-Hündin aus Frankreich, ein riesiges Tier, fiel Menschen und Hunde an, riß mit Pferdekraft an der Leine und lebte sogar im Haus angekettet, da sie Bücher und aufgehängte Kleider zerfetzte. Allerdings hatten die Besitzer auch zwei Bernhardiner bösartig werden lassen. Ich fragte mich, ob die Bullmastiffin durch Erziehung an Stelle dieser Kettenreaktion brauchbarer geworden wäre. Daß man keinen Fall zweimal, dreimal unter anderen Bedingungen verfolgen kann, ärgerte mich in bezug auf Hunde nicht weniger als in bezug auf Menschen. Wie soll man da Klarheit gewinnen über Individualität, Erbmasse und Umwelteinflüsse.
    Allawas hervorragende Mutter hatte zwei böse Wurfgeschwister; ihr Bruder war sehr schön, bedeutend größer als sein Neffe Allawa, aber ein Hundemörder. Er wurde in einem Zwinger gehalten — lag es nur daran?
    Am besten kannte ich die Schwester seiner Mutter. Diese Tante Trudi sah fast bastardähnlich aus und griff Rüden oder Hündinnen automatisch an. Auch Menschen hatte sie schon ins Spital befördert, aber ursprünglich war sie gutmütig gewesen. Der Besitzer erzählte auffallend stolz von ihren Taten, jedes Halbjahr phantasievoller. Im Frühling, daß sie auf dem Dressurplatz einen Riesenschnauzer am Genick herumgeschleppt habe; im Herbst, daß sie an dem Riesenschnauzergenick auch den Daumen des Dresseurs eingeklemmt und ihn um den Platz geführt habe. Oder daß sie gesehen habe, wie ein Jagdfreund im Spaß auf ihren Herrn zielte; sie sprang hin und warf ihn zu Boden. Ein halbes Jahr später sprang sie hin, zerbrach das Gewehr und warf die Stücke ins Gebüsch.
    Zweifellos wurde Trudi durch diesen Stolz des Herrn beeinflußt wie andere Hunde durch Angst oder Machtlosigkeitsgefühl ihres Herrn. Aber die entscheidende Wendung war früher, in ihrem dritten Jahr eingetreten, als es gegen die Ehre des Besitzers ging, daß ihn die Stammtischler wegen Trudis Gutartigkeit hänselten. Er war nicht mehr so ganz sicher, ob Trudi ein Schutzhund sei, man inszenierte einen Überfall bei ihr zu Hause, Trudi reagierte wie eine Furie und blieb eine.
    Ich sagte, ich würde alles wetten, daß jeder Bullenbeißertyp seine Leute verteidige, aber man müßte das mit Vertrauen abwarten, ohne zu proben. Ich sei überzeugt, daß Proben verderblicher wirkten als echte Gefahr, die der Hund mit seinen Fähigkeiten begreifen , unterscheiden, einordnen könne. Das war natürlich zu subtil, über den Kopf dieses Mannes hinweg — nicht aber über Trudis Kopf, die mich sinnend ansah.
    Von Fingal dem Leutseligen her wußte ich, daß er verteidigte, ohne danach wahllos aggressiv zu werden: einmal hatte der Gärtner mißverständlich gestikuliert, einmal war ein Mann scheinbar auf mich zugerannt , um die Trambahn zu erwischen. Fingal sprang ihnen an die Brust, ich blies den Angriff ab, erledigt. Auch Allawa gab mir recht, kurz nach dem Gespräch mit Trudis Besitzer. Er vertrieb auf dem Abendspaziergang einen kontaktfreudigen Betrunkenen, sah mich achselzuckend
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