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Allawa

Allawa

Titel: Allawa
Autoren: Unknown
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Freude gegeben als ein Kompliment für Allawa, ein Geschenk für Allawa; jetzt häuften sich die Komplimente, ein paar Freunde schickten ihm oder mir sogar Blumen, und ich saß da und bemühte mich um gute Miene.
    Spontan denken alle — auch ich, wenn es sich um andere handelt — man müßte nach jeder Art von vollkommener Liebe besonders unglücklich sein; dabei gehört man zu den wenigen Glücklichen. Aber besonders unglücklich ist man ja auch. Beides. Man muß dankbar sein. Von Anfang an war ein Segen darüber, schon Mel kam als Vor-Engelchen. Aber ein abgerissener Arm jetzt. Die ganze linke Seite schmerzt, die Hundeseite.
    Ich war darin geübt, die Menschen, die mir nah gestanden hatten, nach ihrem Tod ziehen zu lassen; bald waren sie ferner, bald näher, eine Erinnerung, eine Gewissensstimme, ein Leuchtpunkt für den Weg — daß sie lebten, wußte ich so deutlich wie von mir selbst. Ich hätte mir gerne eingeredet, daß auch ein geliebter Hund um uns bleibt; aber der Wahrheitssinn ist unbestechlich, ein Hund verschwindet. Ein letzter starker Augenblick, und dann nur noch das eingesunkene Fell. Kein Ausdruck mehr in seinem Gesicht, kein Vermächtnis im eigenen Innern.
    Mir schien, daß es den eigentlichen Tod, den endgültigen, den wir so meinen, nur bei den Haustieren gibt. Was zur Natur gehört, ist todlos , freie Tiere wiederentstehen wie Blüten an ihren verschiedenen Sträuchern. Und Menschen gehen durch den Tod wie hier durch Entwicklungsphasen: das Wachstum, das man in sich fühlt, steht im Gegensatz zum physischen Abbau, warum sollte der physische Tod es also beenden. Nur die Haustiere sterben endgültig; sie sind herausgehoben aus der Natur und noch nicht heraufgehoben in die Weiterentwicklung — rasch vollendete Charaktere, kein andrer wird genauso sein. Ich lasse ihn zurückkehren, dachte ich, zu seinem großen Naturgeist, der größer ist als wir Einzelwesen. Und nie mehr will ich um Menschen in einer Weise trauern, als wären sie verschwundene Hunde.

Die andern

    Hunde, die lesen und schreiben lernen sollten, kranke Hunde, Ferienhunde, Umzugshunde, alle waren uns willkommen. Im Lauf der Jahre müssen es über vierzig gewesen sein. Vereinzelte Fälle, bevor Allawa existierte, fortgesetzte Gewohnheit nach seinem Tod; Rekordziffern von Übernachtungen in den fünf Jahren mit ihm.
    Die Anfangsidee war, daß er kein verwöhnter Einzelhund werden dürfte. Aus dem löblichen Prinzip wurde bald die Freude, ihn als Herbergsvater zu sehen; lehrreich nur für mich, er selbst hatte nichts zu lernen. Und auch die Nachfreude aller Gastfreundschaft war angenehm: wenn es wieder so schön still im Haus ist.
    Als einer der ersten in Allawas Jugend kam Meis ergrauter Vater. Er sollte ein Golden Retriever sein, war aber hager und hochbeinig wie ein Setter und lebte für Rangordnung wie ein britischer Offizier alten Schlags. Fortwährend verbot oder gestattete er etwas, und auf unseren Spaziergängen durften die andern — oft waren es fünf — nie auf gleicher Höhe traben: um Kopfeslänge hinter ihm, sonst fletschte er und trabte mit wehenden roten Haaren schneller. Besonders lachhaft fand Allawa, daß dieser auf den Mann dressierte Alte jedermann bedrohte, der in mein Zimmer kam — lachhaft peinlich, solche Sturheit. Er wand sich mit gutem Zureden vor dem Verteidiger und mit Entschuldigungen vor uns.
    Allawa selbst nahm dann sehr bald den Leithundrang ein, sowohl als Stärkster wie als Hausherr, aber ich sah ihn nie auf irgendwelchen Regeln bestehen, er zog moderne Zwanglosigkeit vor. Mochte vorauslaufen, wer wollte, in wichtigeren Dingen hörten ohnedies alle auf ihn. Seine natürliche Autorität bedeutete Toleranz.
    Er beruhte überlegen in sich. Hunderte von Beobachtungen vertieften mir den Eindruck, den ich schon aus den Vergleichen zwischen Primus und Fingal gewonnen hatte: daß bei Hunden nicht nur dieselben einzelnen Eigenschaften und Gefühle zu finden sind wie bei Menschen, sondern auch ähnliche Zusammensetzungen von Eigenschaften, ähnliche Typen. Gewisse offenkundige Züge lassen dazugehörige Züge vermuten. Alles Seelische, Nervliche, Triebhafte gleich wie bei uns, die Mischungen der vier Temperamente und die Folgen von Erfahrungen. Der Unterschied beginnt erst mit der rein menschlichen Möglichkeit, sich selbst zu formen, etwas anderes werden zu wollen als ein Resultat von Anlage und Umwelteinflüssen.
    Daß wir darin freier sind, jedenfalls freier werden können, schien mir auch die furchtbare
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