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Das schoenste Maedchen der Welt

Das schoenste Maedchen der Welt

Titel: Das schoenste Maedchen der Welt
Autoren: Jo Hanns Roesler
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Das schönste Mädchen der Welt

    Wenn ich nicht das schönste Mädchen der Welt zur Frau bekomme, meinte Marius, nehme ich lieber gar keine.
    Zugegeben, Marius konnte sich diesen Wunsch leisten, denn er nannte zwölf Millionen Geld sein eigen. Aber die Ansprüche auf die guten Dinge der Welt wachsen mit dem Guthaben, und was ein armer Schlucker als ein bildschönes Mädchen anschaut, kann für einen vielfachen Millionär ein fades Lieschen sein. Marius hatte also noch nicht das gefunden, was er suchte. Und er suchte weiter.
    Eines Tages fand er sie. Marius fuhr im Nordsüdexpreß, lehnte behaglich in einem Abteil erster Klasse und sah zum Fenster hinaus. Der Zug durchquerte gerade eine große, grüne Wiese, und darauf lag sie. Sie lag nackt in der Sonne, wie sie Gott geschaffen hatte, und nahm ein Sonnenbad. So etwas Schönes, so etwas Vollkommenes hatte Marius noch nicht gesehen! Schnell entschlossen sprang er auf, riß die Notbremse, der Zug stand. Marius sprang aus dem Zug und lief über die Wiese auf das Mädchen zu.
    Junge Mädchen kennen sich mit Millionären wenig aus und Millionäre ebensowenig mit jungen Mädchen. Noch dazu, wenn das junge Mädchen ein schlichtes Landkind ist und von der Welt keine Ahnung hat. Marius merkte, mit schönen Worten kam er nicht weiter. Er sprach daher gleich vom Heiraten. Dies verstand das Mädchen. Sie führte Marius zu ihrem Vater. Der Vater schüttelte den Kopf. Marius drückte ihm eine Million in die Hand. Da nickte der Vater. Dann kam des Mädchens großer Bruder und schüttelte ebenfalls den Kopf. Marius drückte auch ihm eine Million in die Hand, dann nickte auch der Bruder. Und so fand bald darauf die Hochzeit statt. Marius führte die Heißgeliebte in die Staaten, und sie sollen, wie man sich erzählt, ein glückliches Paar geworden sein.
    Viele Jahre vergingen. Da kam eines Tages Marius wieder in das Land, wo er seine Frau gefunden hatte, und wieder saß er im Nordsüdexpreß und schon sah er von weitem die große, grüne Wiese, auf der er damalis den Zug zum Stehen gebracht hatte. In dieser Minute trat der Schaffner ins Abteil. Er ging zum Fenster und hängte ein großes schwarzes Tuch davor.
    „Was bedeutet das?“ fragte Marius.
    „Das Tuch bleibt nur fünf Minuten.“
    „Warum?“
    „Eine Anordnung der Eisenbahndirektion“, erklärte freundlich der Schaffner, „da soll vor zehn Jahren hier einmal ein verrückter Amerikaner durchgefahren sein und ein nacktes Mädchen auf der Wiese gesehen haben. Man erzählt sich, er habe den Zug angehalten, das Mädchen gefreit und dem Vater sowie dem Bruder des Mädchens eine Million ausgezahlt. Seit dieser Zeit liegen hier stets zur Stunde, wenn unser Expreß vorüberfährt, alle jungen Mädchen der Gegend nackt auf der Wiese— —“

Junger Mann ohne Herz

    Unerwartet sah Christine den Brief. Er lag verloren auf einer Bank im Stadtpark, trug keine Aufschrift. Sichtlich hatte ihn jemand aus der Tasche verloren, ohne es zu bemerken.
    „Warum bist Du gestern nicht gekommen?“ las Christine, sie hatte der Versuchung nicht widerstehen können, „ich habe auf Dich die ganze Nacht gewartet, Ingeborg! Du weißt, wie heiß ich Dich liebe — noch müssen alle Worte Dir im Ohr sein, die ich zu Dir sprach; drangen sie nicht bis zu Deinem Herzen? Als ich Dich küssen wollte, bogst Du Deinen Kopf weit zurück und sagtest leise: morgen, Hanns! Es war keine Lüge, keine Ausflucht, Du wolltest kommen, ich fühlte Dein Versprechen wie eine zärtliche Umarmung. Und doch bist Du nicht gekommen. Ich liebe Dich, Ingeborg, ich kann ohne Dich nicht leben und will auch ohne Dich nicht leben. Es klingt so groß und ist so einfach: ich will ohne Dich nicht leben. Ich gehe ohne Aufsehen, denn mein Herz schlägt nicht mehr, wenn heute die Sonne untergegangen ist. Leb wohl, Ingeborg.“
    Dann folgte ein schlichter Name: Hanns Moll und eine Adresse.

    *

    „Wohnt hier ein Herr Hanns Moll?“
    „Im zweiten Stock.“
    Christine lief die Treppe hinauf. In der Hand hielt sie den gefundenen Brief. Sie wußte nicht, was sie tat, aber eines wußte sie: wer liebt, soll leben. Die Zärtlichkeit dieses Briefes hatte sie aufgewühlt, ihr Herz klopfte, sie wollte ihn trösten, ihm helfen, ja, sie gestand sich, mit allen Mitteln ihm helfen. Wenn Ingeborg nicht kam, wollte sie kommen. Sie war jung, sie war schön, sie hatte keinem andern Mann Rechenschaft zu geben, warum sollte sie nicht seine Liebe in sich auffangen dürfen, wo er so allein mit seiner Liebe
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