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Alison Wonderland

Alison Wonderland

Titel: Alison Wonderland
Autoren: Helen Smith
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streiten, versuchen, ihn zu verletzen oder ihn retten können, wäre er von einer bezaubernden, überdurchschnittlichen Schönheit gefesselt gewesen. Vielleicht wurde ihr das Foto nicht gerecht, aber ich war wirklich enttäuscht von diesem dünnen Mädchen, an dem er abends herumfummelte. Abgesehen von einem flüchtigen Impuls – dem ich widerstand – seine Freundin mit ein paar Haar- und Make-up-Tipps anzurufen, entschied ich, beide zu ignorieren und blendete mich auf spektakuläre Weise aus dem Leben meines Ehemanns aus. Das ist natürlich nicht die ganze Geschichte. Ich wollte eine Dose roter Farbe nehmen und auf die Wände ihres Hauses und ihrer Arbeit »Du hast mein Leben ruiniert, du knochige Schlampe« sprühen. Ich wollte seine Klamotten zerfetzen und ihn kastrieren. Ich wollte die Polizei alarmieren, um ihn in Schwierigkeiten zu bringen. Ich meine, ich wollte ihn wirklich fertigmachen, damit es ihm leidtäte. Ich lief immer wieder durch die Stadt, heulend vor Schock und Selbstmitleid, während ich all diese Optionen durchging. Am Ende schloss ich einen Kompromiss. Ich nahm die Hälfte des Geldes von unserem Bankkonto, kaufte eine Spraydose roter Farbe und ging nachhause. Ich packte alles zusammen, was ich aus dem Haus wollte (nicht unbedingt die Sachen, die mirgehörten, nur die Sachen, die ich wollte, wie zum Beispiel seine Schallplatten), dann legte ich mein Hochzeitskleid aufs Bett und sprühte rote Farbe auf das Mieder. Dazu hinterließ ich die Nachricht: »Du hast mein Herz gebrochen, du Wichser.« Er hatte es nie gutgeheißen, wenn Frauen fluchten. Ich wollte ihm nicht leidtun, ich wollte, dass er richtig wütend würde. Dann verschwand ich aus seinem Leben.
    Jetzt arbeite ich in dieser Agentur. Ich habe aufgehört, auf Mr. Wonderland zu warten. Ich brauche ihn nicht mehr.
    Einer meiner ersten Aufträge war von einer Frau, die sich Sorgen machte, ihr Mann hätte eine Affäre. Sie waren seit Jahren verheiratet und liebten sich, aber dann bekamen sie finanzielle Probleme. Er zog sich zurück und wurde ein Heimlichtuer, ging abends aus, ohne ihr zu sagen, wohin er wollte oder wen er traf. Dann kam er spät in der Nacht nachhause und roch nach einer Seife, die sie nicht kannte. Sie dachte, er müsse Sex mit einer anderen Frau gehabt haben und duschte bei ihr, bevor er wieder heimkam.
    In einer Nacht folgte ich ihm bis zu Clapham Common. Ich lief ihm nach, während er zwischen den Männern herumschlich, die sich dort nach Einbruch der Dunkelheit herumtrieben in der Hoffnung, einen Unbekannten zu treffen, trotz oder gerade wegen der Gefahr. Genau wie ich waren sie als Kind gewarnt worden, niemals mit fremden Männern zu sprechen. Und jetzt wollten sie genau solche treffen, um ihnen den Schwanz zu lutschen. Sie warfen mir verstohlene, schuldbewusste Blicke zu, als ich an ihnen vorbeiging. Aber ich schaute niemandem in die Augen, damit sie nicht dachten, ich würde sie verurteilen.
    Ich hatte mich zwischen den Bäumen versteckt, als der untreue Ehemann einen jüngeren Mann traf, den er anscheinend kannte. Sie begrüßten sich brüsk und entfernten sich vom Cruising-Bereich Richtung Teich. Eine Insel in der Mitte des Teichs ist für die Erhaltung von Wildtieren bestimmt. Es gibt einen Fischreiher im Battersea Park, aber der exotischste Vogel, den ich je in Clapham Common gesehen habe, ist eine Kanadagans, die, soweit ich weiß, als Plage klassifiziert ist, genauso wie graue Eichhörnchen.
    Das Wasser ist von Beton umgeben. Es gibt da eine gepflasterte Stelle, die ins Wasser ragt, an der Eltern mit Kleinkindern ausharren, um altes Brot hineinzuwerfen, obwohl sie wissen müssten, dass jede Ente, die auf ihrem Weg zu glamouröseren Orten hier anhält, wegen ihres empfindlichen Magens Verstopfung bekommt oder sogar ersticken kann. Ich bin mir nicht sicher, was die Alternative zu Brot wäre. Igeln soll man Hundefutter geben, aber ich glaube nicht, dass das bei Wildvögeln funktioniert. Vielleicht Sonnen blumenkerne. Oder vielleicht sollte man sie, so wie es in den Teichregeln heißt, einfach in Ruhe lassen.
    Was romantische Orte angeht, habe ich schon bessere gesehen. Strudel von grünlicher Gänsescheiße verzieren die Betoneinfassung des Teichs. Hässliche Fische pflanzen sich in dem schwarzen Wasser fort. Flusskrebse, deren Eltern aus einem Becken in einem gehobenen Restaurant gerissen wurden und in eine nicht sehr gehobene Freiheit entlassen wurden, wo man nicht viel mehr tun kann als zu fressen und sich
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