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Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Titel: Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne
Autoren: Paul J. McAuley
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den
gegenüberliegenden Rand nicht mehr sehen. Ihrem ersten Eindruck
zufolge füllte er den Himmel zur Hälfte aus, doch in
Wirklichkeit war er viel kleiner, sein Durchmesser vielleicht ein
Sechzehntel, oder nur ein Zwanzigstel des Horizonts?
    Trotzdem – er war riesig, ein kalter, roter MO-Zwergstern am
flachen Ende des Hertzsprung-Russell-Diagramms, konstant im
allmählichen Schmelzprozeß der Elemente. Dorthy hob ihm
eine Hand entgegen, fühlte aber wenig Wärme, obwohl die
Sonne kaum zwei Millionen Kilometer entfernt sein konnte.
    Sonnenaufgang: Dies war die größte Leistung dieser
Wesenheit, die diese Welt hier verändert hatte, denn wie jeder
potentiell bewohnbare Planet eines roten Zwergsterns kuschelte auch
sie sich nahe an die schwache Wärmequelle in der Radiusmitte
einer gebremsten Rotation. Wie beim Mond der Erde sollte die eine
Seite ständig dem Mutterplaneten zugewandt sein, in der
Oberfläche günstigstenfalls eine zerklüftete
Wüstenlandschaft; die abgewandte Seite dagegen eine
sternenbeschienene Eiskappe, auf der Sauerstoff wie Wasser
zerfloß. Aber diese Welt hier rotierte. Langsam zwar, aber
immerhin ausreichend, um auf dem größten Teil ihrer
Oberfläche erträgliche Temperaturen und eine
Atmosphäre zu gewährleisten und zu verhindern, daß
die gesamten Wasservorkommen auf der sonnenabgewandten Seite
einfroren.
    Der Sonnenaufgang stand symbolisch für die Größe
einer solchen Leistung. Beim Blick in die Umgebung aber fragte man
sich, aus welchem Grund jemand eine solche Kraftanstrengung
vollbracht haben mochte.
    Dorthy atmete tief durch, verzog das Gesicht wegen des Gestanks
und ging weiter. Ihre Stiefel knirschten über groben Sand und
vermehrten das Kreuz und Quer anderer Fußabdrücke und
Fahrzeugspuren. Nichts wuchs hier, überhaupt nichts. Eine tote
Landschaft, unberührt von jedem menschlichen Verlangen oder
Bedürfnis, dem Wandel der unablässigen Erosion
ausgeliefert. Und deshalb auch gestalt- und formlos für das
menschliche Auge und Verständnis.
    Natürlich war sie es nicht wirklich. Wie überall hatten
auch hier die unveränderlichen physikalischen
Gesetzmäßigkeiten Geltung. So zeigte jeder zerfurchte
Felsbrocken auf der windabgewandten Seite ein kleines
Geröllfeld, und jedes Stück Sandstein zerteilte sich bei
Berührung in papierdünne Scheiben – jede eine
jungfräuliche Schicht, entstanden im Schlick irgendeiner
abgelegenen Lagune, unberührt von der primitivsten Form
organischen Lebens. Hier hatte es nie Leben gegeben – bis der
Feind kam.
    Die meisten Welten weisen solche Landschaften auf – wenn sie
nicht wie Jupiter fehlgeratene Sonnen waren, dachte Dorthy,
während sie dem kaum erkennbaren Pfad durch ein Labyrinth von
Felsbuckeln folgte. (Die meisten Brocken waren kaum größer
als ihr Kopf, ein paar mannshoch, einige wenige so groß wie ein
Haus.) Und auf seltsame Art leerer wirkten als das verwirrende Vakuum
des tiefen Raums.
    Da der größte Teil des Universums für menschliche
Zwecke kaum nutzbar schien (aber wer konnte schon wissen, welch
anderen Belangen es dienlich sein konnte), vertrat Dorthy schon seit
langem den Standpunkt, daß die Menschen nur einen geringen
Platz in der Ordnung der Dinge einnahmen und auch nie eine
größere Rolle spielen würden. In den sechshundert
Jahren, die seit dem Betreten einer anderen Welt vergangen waren,
hatten sie gerade mal eine Raumblase von weniger als dreißig
Lichtjahren Durchmesser, etwa hundert Sterne in einer Galaxie von 400
Milliarden, ein Dutzend bewohnbare Welten und halb so viele bedingt
besiedelbare erforscht. Die Energiemenge, die die gesamte Menschheit
seit ihrer Entstehung verbraucht hatte, reichte nicht im geringsten
an die Energie heran, die ein Stern wie Rigel oder Wega in einer
einzigen Sekunde abstrahlte, und war nur ein Regentropfen in dem
Energiesturm, den ein Quasar produzierte. Wie all die Energie, die
ungenutzt bis an die äußersten Grenzen des Universums
entwich, war auch diese rotschimmernde Wüste hier von keinerlei
erkennbarem Nutzen.
    Wie zur Widerlegung dieser Tatsache führte der Pfad um eine
zernarbte Erhebung und mündete in einer Senke, die man offenbar
als Mülldeponie benutzte. Umgekippte Abfallbehälter,
zerrissene Müllsäcke und verschrottete Metallgeräte
aller Art lagen weit verstreut, zum Teil vom nagenden Wind der
Erosion angefressen – die einzigartige Häßlichkeit
der Zivilisationsentropie.
    Und dazu Reihe um Reihe von Sinkkapseln, das gewellte Metall der
konischen Hüllen
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