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Alice@Hollywood

Alice@Hollywood

Titel: Alice@Hollywood
Autoren: Ralf Bunzel , Andreas Gaw
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zärtlich »Alice. Ich hab dich lieb !«
    Ich schlucke, will ihm um den Hals fallen, doch Steve hält mich sanft auf Distanz. Dann spricht er leise weiter.
    »Du bist das Beste, was mit je passiert ist. Du hast mir gezeigt, wie großartig es ist, seinem Herz zu folgen, Und wie falsch es ist, seine Gefühle zu unterdrücken !«
    Meine Knie werden weich. Er ist so süß.
    »Alice ...«
    Gleich macht er mir einen Heiratsantrag.
    »... ich stecke im falschen Körper! Ich möchte eine Frau sein .«
    Ein Schnellzug rast mit ungebremster Geschwindigkeit auf mich zu.
    »Hast du meinen Brief nicht bekommen? Da hatte ich ja schon...«
    Der Zug kommt näher. Crash. Ich bin tot. Na ja, nicht ganz. Ich bin ohnmächtig, wache aber kurz darauf wieder auf. Steve kniet neben mir. Liebevoll streichelt er meine Hand. Ein paar Minuten brauche ich, um zu realisieren, wo ich bin. Auf einer Liege in der Garderobe für die Schauspieler. Die schrillen Kostüme hängen auf einer Kleiderstange unter der Decke.
    »Die Vampirlady hat mir am besten gefallen !« , hauche ich.
    »Danke«, antwortet Steve, »das war ich .«
    Den Rest des Abends verbringen Steve und ich in einer Bar in der Nähe unseres Hotels. Ich brauche lange um zu begreifen, was mein süßer Collegeboy mir da gerade für ein Geständnis gemacht hat. Sein durchtrainierter Körper, der Waschbrettbauch, seine Muskeln und alles, was sonst noch an ihm hängt... das soll alles nur die falsche Hülle für sein weibliches Ich sein?! Einerseits hätte ich jetzt nicht schlecht Lust, ihm regelmäßig, sobald er auch nur einen Konsonanten von sich gibt, eine zu scheuern. Andererseits bin ich gerührt und auch ziemlich stolz darauf, dass er durch mich zu sich selbst gefunden hat. Hätte die Post seinen Brief nicht verschlampt, hätte ich mir allerdings eine Menge Stress ersparen können.
    Einige Dinge werden mir nun im Nachhinein klar. Völlig logisch, dass er seinen Eltern nicht gesagt hat, wo er sich rumtreibt. Und schon gar nicht, in welchen Klamotten. Hätten die ihn bei seiner Vampirlady-Vorstellung überrascht, hätte es in  dem Stück doch einen Toten gegeben. Und dass er sich in der WG in New York unter den ganzen Müll-Machos nicht wohl gefühlt hat, wundert mich nun auch nicht mehr. Sein klasse Geschmack in Sachen Mode, den ich einem Mann gar nicht zugetraut hätte, macht Sinn, da er ja eigentlich kein Mann ist. Die Tatsache, dass es unglaublich lange dauerte, bis wir zum ersten Mal miteinander geschlafen haben, lag vermutlich daran, dass sich sein Unterbewusstsein dagegen sträubte. Und das Seidentop in L, das er sich beim Abschied in Deutschland aus meinem Schrank ausgesucht hat, sollte ihn nicht nur an mich erinnern. Er wollte es selber tragen. Steve erzählt mir, dass er als Teenager mal auf einer ziemlich wilden Party in Milwaukee war. Alle hatten eine Menge getrunken und die Jungs und Mädels aus Spaß ihre Klamotten getauscht. Während es die anderen Typen einfach nur witzig fänden, fühlte er sich unglaublich wohl in Spitzenwäsche und Wonderbra. Gleichzeitig aber schämte er sich "für das Gefühl. Da Steve sich niemandem anvertrauen wollte und seine Mutter mit ihrem »wir sind wie Geschwister - du kannst mir alles sagen« genau den gegenteiligen Effekt auslöste, versuchte er, seine Neigung selbst in den Griff zu bekommen.
    »Ich habe mich für Sport entschieden. Irgendwas Toughes. Und ich habe alles gemacht, um mich wie ein richtiger Mann zu fühlen«, erklärt er mir. Sauftouren, mit Herrman jagen gehen und Tabledance. Aber Steve hat sich mehr für das Material der knappen Tangas interessiert, in die die Dollarscheine hineingesteckt werden, als für das, was sie spärlich zu verbergen suchten.
    »Dann habe ich nach den Baseballspielen beim Duschen heimlich meine Mannschaftskameraden beobachtet. Aus wissenschaftlichen Gründen. Ich wollte herausfinden, ob ich vielleicht schwul bin .«
    Doch das war es auch nicht. Steve fand jahrelang keine sexuelle Orientierung, ohne zu wissen, warum. Er wusste lediglich, dass er sich in seiner Haut nicht wohl fühlte. Als er sein Studium in New York begann, traf er den anderen Steve, den ekstatischen Orgelspieler, den ich auf seine eindrucksvolle Art in dem Apartment in Soho kennen gelernt hatte. Dieser »Künstler« machte meinen Freund mit ein paar Leuten aus einer Travestie-Gruppe bekannt. Obwohl es sich bei den »Showgirls« um echte Männer handelte, war Steve bereits auf der richtigen Fährte. Und nachdem er aus Deutschland
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