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Alice@Hollywood

Alice@Hollywood

Titel: Alice@Hollywood
Autoren: Ralf Bunzel , Andreas Gaw
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1. BIG Apple-Mus
     
    »Alice, Alice! Unter uns ist Island !«
    Nina schubst mich unsanft im Sitz hin und her und weckt mich aus meinem Traum vom ausgiebigen Frühstück in einem Bett, in dem man die Beine ausstrecken kann. Wir befinden uns auf dem Weg nach New York, in einem Flugzeug, das wohl ursprünglich für Jockeys gebaut wurde. Benommen schaue ich mich um. Ruth döst an der Seite des Ganges, und ein feines Fädchen Sabber läuft ihr aus dem Mundwinkel. Reflexartig streife ich mir über die Wange. Nein, ich habe nicht getröpfelt. Ohne sie zu wecken, tupfe ich meiner Freundin vorsichtig mit einer Serviette das Rinnsal ab. Man muss ja das Bild vom sabbernden Deutschen nicht konsequent in die Welt hinaustragen. Nina beugt sich über mich und starrt aus dem Fenster in die Schwärze des Himmels über dem Atlantik. Oder besser, über Island. Selbst ein Falke mit Nachtsichtgerät könnte aus zehntausend Metern Höhe nicht das kleinste Fitzelchen der Insel erkennen.
    »Ich glaube, ich sehe einen Gletscher !« , quiekt Nina aufgeregt.
    Die Stewardess kommt vorbei, und ich bestelle für meine Freundin noch einen weiteren Gin Tonic. Danach sieht Nina unter Garantie gar nichts mehr. Und für mich am besten auch noch einen. Noch sind die Drinks im Flugpreis inbegriffen, das sollte man ausnutzen. Drei Eiswürfel klimpern munter ins Glas und versprechen uns, die restliche Flugzeit so angenehm wie möglich zu gestalten. Tracy, so heißt die Stewardess des United-Airlines-Fluges, reicht jedem von uns eine kleine Dose Tonic und ein Minifläschchen Gordon's. Tracy ist nicht mehr die Jüngste und hat ihre Freundlichkeit auf den letzten hunderttausend Transatlantikflügen eingebüßt. Oder in den letzten drei Stunden, in denen wir ständig giggelnd neue Drinks  bei ihr bestellt haben. Ruth dreht sich leicht im Schlaf und stößt gegen das Tischchen vor ihr. Es klappt nach oben, und der ganze Müll, den Nina und ich darauf abgeladen haben, fällt zu Boden. Ich schaue so unschuldig wie möglich. Tracy lächelt gezwungen, als sie sich bückt, um unseren Unrat wegzuräumen. Schaut man im Lexikon unter »genervt« nach, findet man sicher ein Foto von ihr. Sie kann sich ein ermahnendes Anheben der rechten Augenbraue nicht verkneifen. Dann wirft Tracy den Kopf zurück und stakst davon.
    Ich schätze, wir sind schon in Frankfurt beim Boarding unangenehm aufgefallen. Für volle fünf Minuten haben wir den Mittelgang versperrt. Ruth und Nina konnten sich nicht einigen, wer am Fenster sitzen darf. Sie fingen tatsächlich an, »Papier, Schere, Stein« zu spielen, und schon nach zehn Runden stand der Sieger fest: Alice. Ich hatte einen geilen Fensterplatz, während die beiden noch stritten, ob Brunnen und Feuerzeug zugelassene Symbole sind.
    Dass ich mir den Blick aus dem Fenster angeeignet hatte, hat den Mädels natürlich überhaupt nicht gepasst. Zur Strafe haben mich die beiden die folgenden drei Stunden nicht auf die Toilette gelassen. Allerdings jede sich bietende Gelegenheit genutzt, mir auf die Blase zu drücken und dabei zu kichern wie »Bernd das Brot« auf Speed. So ist das nun mal, wenn drei Frauen Anfang dreißig zusammen verreisen und die Drinks an Bord kostenlos sind.
    Tracy kommt erhobenen Hauptes zurück. Sie bringt Nina und mir eine Packung Erdnüsse. Wahrscheinlich denkt sie, wir sollten besser etwas feste Nahrung zu uns nehmen, bevor der Alkohol uns komplett vernebelt. Sie fürchtet sicher, dass wir in New York bei der Einreise nicht mal mehr unsere Namen wissen. In dem Fall würde man uns nicht ins Land lassen und wir müssten am nächsten Tag zusammen mit Tracy den Rückflug antreten. Das will sich die Gute sicher nicht antun. Ein bisschen tut sie mir Leid. Als Tracy sich entschlossen hat, Flugbegleiterin zu werden, hatte sie bestimmt eine romantischere Vorstellung von diesem Glamour-Beruf. Jetzt darf sie angetüdelten Reisehühnern Drinks und Nüsschen servieren. Wenigstens musste sich bis jetzt keine von uns übergeben.
    »Wie lange dauert's noch bis New York ?« , frage ich, um unter Beweis zu stellen, dass ich mich noch klar artikulieren kann.
    Tracy schaut auf ihre Cartier-Uhr. Eine Fälschung, nehme ich an, wahrscheinlich auf einem Zwischenstopp in Mexiko von einem dubiosen Straßenhändler mit falschem Bart erworben.
    »Eine gute Stunde noch«, sagt Tracy. »Wir sind gerade über Neufundland .«
    Die Stewardess wendet sich zum Gehen, und Nina ruft ihr besserwisserisch hinterher: »Island ... über Island
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