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Algebra der Nacht

Algebra der Nacht

Titel: Algebra der Nacht
Autoren: Louis Bayard
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wollte alles über diese sogenannte Schule in Erfahrung bringen, was ich konnte. Das einzige Problem? Zu finden gab es nicht viel.
    Es ist wirklich so: Wenn Sie Fachleute für englische Literatur fragen, werden Sie oft zu hören bekommen, eine Schule der Nacht habe es möglicherweise nie gegeben – zumindest nicht in einem förmlichen Sinne. Mit Sicherheit fehlen gedruckte Spuren. Falls diese hervorragenden Gelehrten sich je zusammensetzten und ihre Ideen auf den Tisch des Hauses legten, so hinterließen sie keine Studienpläne, keine Dissertationen – nicht einmal einen Hausaufgabenzettel. Worüber sie debattiert haben mögen, können wir nur indirekt aus den Schriften ableiten, die jeder von ihnen zu seinen Lebzeiten veröffentlichte. Und aus dem vorzeitigen Ende, das so mancher aus der Gruppe fand.
    Ich hatte anfangs also mehr Fragen als Antworten. Und wäre ich Historiker, wäre ich womöglich verzweifelt. Doch mir wurde bald klar, dass die Wolke, die die Schule der Nacht umwaberte, für einen Verfasser historischer Romane ein Geschenk der Götter war. Denn ich konnte aus der Schule machen, was meinen Zwecken als Schriftsteller diente.
    So traf ich beispielsweise schon in einem frühen Stadium die bewusste Entscheidung, die Stars und Hauptattraktionen der Schule, Ralegh und Marlowe, beiseite und eines der am wenigsten bekannten Mitglieder ins Zentrum zu rücken: einen Mann namens Thomas Harriot.
    Und wenn Sie fragen: »Thomas wen?« … tja, das habe ich mich auch gefragt. Doch im Verlauf meiner Recherchen wurde daraus: »Warum weiß ich nichts über den Mann? Warum kennt den keiner?«
    Bei Thomas Harriot handelt es sich schließlich um den »Galileo Englands«, wie er in manchen Kreisen genannt wird. Und das aus gutem Grund. Harriot tat so ziemlich dasselbe wie Galileo, und zwar zur gleichen Zeit wie Galileo: Er maß die Beschleunigung sich abwärts bewegender Gegenstände. Verwendete ein
Fernrohr und kartographierte den Mond. Beobachtete den Halley'schen Kometen lange bevor Halley selbst ihn sah. Er entdeckte das grundlegende Brechungsgesetz Jahre vor dem Mann, dem die Entdeckung zugeschrieben wird.
    Leider können wir erst heute allmählich nachvollziehen , was Harriot wusste, weil er zu seinen Lebzeiten so wenig veröffentlicht hat. Je länger ich dem Rätsel nachsann, das dieser Mann darstellt, desto mehr drängte sich mir der Gedanke auf, ob er die Ergebnisse seiner Forschungen nicht einfach einer Stiftung vermacht hatte – uns , den künftigen Generationen. Und so im Grunde eine Schule der Nacht geschaffen hatte, die eine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart schlug.
    Die Struktur meines Buchs ergibt sich letztlich aus dieser Vorstellung. Wir haben auf der einen Ebene die Geschichte der Liebe zwischen Thomas Harriot und der jungen Frau, die zum Arbeiten in sein Haus kommt. Wir haben auch eine moderne Suche, bei der eine Gruppe von Abenteurern, bestehend aus unterschiedlich angenehmen Zeitgenossen, Harriots Schatz nachjagt, dem »riesigen Batzen«, den er womöglich in der Wildnis von North Carolina – ausgerechnet! – deponiert hat (wo er als erster englischer Wissenschaftler die Neue Welt erforschte).
    Zunächst stehen diese beiden Erzählungen nebeneinander. Nach und nach verschränken sie sich dann auf eine Weise, die, hoffe ich, überraschend und bewegend zugleich ist – bis sie am Ende des Buchs zusammenfließen. Es ist dies ein Roman, der viele verschiedene Formen – Tragödie, Komödie, Liebesgeschichte, Abenteuerroman, sogar einen Hauch Metaphysik – in sich vereint, welche alle einem gemeinsamen Ziel dienen: der Ergründung tiefer Mysterien.
    Und dasselbe Mysterium wehte mich an, als ich die Worte zum ersten Mal las: die Schule der Nacht. Eine Ahnung von Dunkelheit, aber auch Grenzenlosigkeit. Und wenn es mir gelungen ist, meinen Lesern etwas von diesem Geist zu vermitteln, dann, so glaube ich, habe ich meine Pflicht erfüllt. Thomas Harriot und seinen tapferen Gefährten gegenüber, Wissenschaftlern, die es wagten, orthodoxes Denken in Frage zu stellen, und uns da
durch vielleicht bessere und klügere Menschen haben werden lassen.
    Louis Bayard

Danksagung
    Ihre Zahl geht zwar nicht in die Tausende, aber mit der Aufgabe, mich weniger dumm zu machen, waren viele liebenswürdige Menschen beschäftigt. Darunter: Jessica Berman, Steve Cymrot, Daniel De Simone, Teresa Grafton, Barry Meegan, Katherine Neville, George Pelecanos, John Riley, Jonathan Simon, Francis Slakey, Dan Traister.
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