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Alexander

Alexander

Titel: Alexander
Autoren: Klaus Mann
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sofort die Fresken des Zeuxis, auch einen gewissen Euphraios aus Orea, einen tiefgelehrten Schüler des Plato, von dem er noch nie gesprochen hatte, jetzt aber plötzlich behauptete, er sei jahrelang sein innigster Freund gewesen.
    Das dröhnend unsichere Benehmen des Königs übersah mit feinem Mienenspiel Aristoteles, unter mehreren leichten Verneigungen erwähnte er seinerseits etwas von der hochberühmten Kultur Mazedoniens. Nur Alexander im Hintergrund litt. Er hielt den Kopf schräg, kaute an seinen Lippen und bekam finstere Augen. Nun schlug sein Vater dem fremden Gelehrten sogar auf die Schulter, wozu dieser nachsichtig lächelte.
    Der Unterricht fand in einem Nymphenhaine bei Myeza, etwa eine Stunde vor Pella, statt; Aristoteles hatte den Garten selbst ausgewählt, er fand ihn passend und hübsch, entfernt vom Trubel der Großstadt und doch bequem zu erreichen. Philipp, dem er dies in eleganter Rede auseinandersetzte, sagte nachher, daß er einsichtig und ein Lebenskünstler sei. Den Vorträgen und Diskussionen wohnten manchmal ausgewählte Kameraden des Prinzen bei – Hephaistion und der brünette Philotas, des Parmenion Sohn, Krateros, Meleagros und Koinos –; manchmal spazierten Lehrer und Schüler allein. Die intimen Unterhaltungen pflegten die ergiebigeren zu werden.
    Trafen sie sich morgens auf der schattigen Promenade, verneigte der Prinz sich mit erlesenster Höflichkeit; zwischen ihm und dem Philosophen wurde stets der sorgfältigste Anstand gewahrt, Schüler und Meister überboten einander an gewählter Korrektheit.
    Wenn Aristoteles scherzte, lachte Alexander bezaubert, den Kopf leicht im Nacken, mit einem Blick auf den Witzigen, der vor Wärme feucht schimmerte. Sehr artig war es auch, wie Alexander im Lustwandeln ahnte, wenn der Dozierende stehenbleiben wollte; denn diese Angewohnheit hatte Aristoteles, wie viele lehrhafte Menschen: während des Gehens mit erhobenem Zeigefinger und gefalteter Stirn stehenzubleiben, um etwas besonders Wichtiges eindrucksvoll darzulegen. Der feinnervige Schüler kannte seinen Meister schon so genau, daß er immer einige Sekunden früher als dieser selbst seinen Wunsch vorausfühlte und den Schritt verlangsamte, so daß Aristoteles glauben durfte, er bleibe dem launenhaften Prinzen zu Gefallen stehen, nicht etwa aus eigener Schrullenhaftigkeit.
    Weniger höflich war der Blick, mit dem der aufmerksame junge Zuhörer den Vortragenden zuweilen ganz kurz, doch um so konzentrierter von der Seite musterte und prüfte. Er studierte mit strenger Genauigkeit das Faltenwerk, das kompliziert die Augen seines Erziehers umspielte, von den Augensäcken abwärts Rinnen und feine Furchen in die mager-braunen fleischlos hautigen Wangen grub, den schlaffen, aber erregten Mund mit den bläulichen Lippen neckisch-unberechenbar umspielte. Alexander kannte dieses immer wieder belauerte Gesicht nun schon unanständig genau, er schämte sich oft selber, wie genau er es kannte: dieses dunkle, faltige Gesicht mit dem weißen Barte, in dem sich der ausgeleierte, immer noch angespannte Mund bläulich bewegte, die scharfen, hellgrauen Augen mit reizbaren Lidern, kurzsichtig oder nervös zusammengekniffen, die bedeutend gefurchte, ruhelos arbeitende Stirn; auf dem grauen Gewand die großen, mageren und behaarten Hände, faltig, braun und geistreich, wie das alte Gesicht, mit großen, runden, hellen Fingernägeln, von denen man den Eindruck hatte, daß sie locker saßen, ausfallen konnten, wie die Zähne der Greise. – Alexander kannte viel zu genau diesen runzligen und langen Zeigefinger, der sich lehrhaft hob, müde schwankte, zu frieren schien, eindringlich wackelte, plötzlich niedersank, wie abgestorben.
    Alexander fragte, er wollte wissen und bekam niemals genug. »Ihre Neugierde ist unersättlich«, sagte der Erzieher sanft tadelnd, doch zärtlich; um Augen und Lippen spielte nachsichtig das Fältchenwerk. Dann noch einmal, verändert, ganz ernst, mit einem stählern gesammelten, eisgrauen Blick, mitten ins wartende Gesicht des Knaben an seiner Seite, in der gedämpften Stimme Angst und Bewunderung: »Ihre Neugierde ist unersättlich, so wahr die Götter mir helfen.«
    Alexander, ohne zu zucken, ertrug den Blick, der durchbohrte. Er erkundigte sich unbefangen weiter nach den Dingen, die ihn interessierten, verlangte Auskünfte, bat um Belehrungen, schmeichelte und warb, kokettierte und lockte. Ihn nochmals anzusehen, hütete sich Aristoteles; um so verführerischer kam die Stimme
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