Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alexander

Alexander

Titel: Alexander
Autoren: Klaus Mann
Vom Netzwerk:
ihm über das lockere Haar. Er hielt nicht viel von der Wollust, spottete über Alexander und Hephaistion, wenn sie sich ihr ergaben. Die Luft, in der er lebte, war reiner als die, in welcher andere gedeihen. Er war eitel auf seine Schönheit, liebte und bewunderte schwärmerisch sein Bild, wo es ihm aus Spiegeln oder Gewässern entgegentrat; aber er höhnte und mißhandelte die, welche ihn um seiner Schönheit willen liebten.
    Glänzend und hart wie ein Edelstein schien sein Selbstvertrauen. Er leistete es sich, über sein Genie und seine begnadete Hübschheit kleine Scherze zu machen, er renommierte, log, fabulierte, – er lachte und hatte ungeschickte, planlose kleine Handbewegungen. Dabei spottete er derer, die es wirklich zu etwas gebracht hatten: Antipatros, Parmenion, alle ergrauten Würdenträger und Generale waren Gegenstand seiner unverschämten und geschwinden Redensarten. Ohne nach Anerkennung das Bedürfnis zu haben, freute er sich ganz alleine seiner traumverlorenen Unternehmungslust, die nie etwas tat, immer nur plante und sich lustig machte.
    Alexander meinte, daß, mit Kleitos verglichen, er selber problematisch und plump würde. Was sich hinter der eigenen Stirne vorbereitete, war trübe, verschlungen und fragwürdig; aber in Kleitos schien alles zauberhaft geordnet. Wenn Alexander sich die Gedanken des Kleitos vorstellte, wurde ihm eine unvergleichlich liebliche und neiderweckende Vision von geometrisch tänzerischen Figuren, die sich mit spielerischer Klarheit ineinander verschränkten. In ihm aber, in Alexander, rang und kämpfte es finster.
    Wenngleich Kleitos, wie Sitte und Taktgefühl es geboten, sehr höflich, sogar demütig gegen den Prinzen tat, glaubte dieser doch immer seinen halb lustigen, halb unerklärlich ernsten Angriff zu spüren. Diesen Angriff zu überwinden, zu gewinnen dies Kind, das in seiner Abgeschlossenheit unerreichbar blieb, wurde der ausschließliche und brennende Ehrgeiz des Alexander. Es kam so weit, daß er sich dabei ertappte, diesem Knaben gegenüber der Werbende zu sein. Hier zu siegen! – Zwei Jahre lang kannte er kein anderes Ziel mehr. Er hatte in seinem Herzen unabänderlich beschlossen: wenn einer mein Lebensgefährte sein kann, so dieser. Ich will nur einen Freund: diesen. Er ist mir vorbestimmt, dachte mit blinder und pathetischer Hartnäckigkeit Alexander. Ich will ihn haben, ich muß ihn haben, es soll mein erster, wichtigster Sieg sein. – Aber Kleitos wich aus.
    Melancholisch abseits stand Hephaistion. Er durchschaute mit wehmütiger Deutlichkeit die Situation, begnügte sich schweigend damit, der Dritte zu sein, der vermitteln, ausgleichen konnte. Oft, wenn Alexander nicht mehr weiterwußte, holte er sich bei der immer gleich bereiten Innigkeit des treuen Hephaistion Trost. Der verzichtete, ohne je besessen zu haben. Er wußte, daß es in seinem Leben keinen Menschen außer Alexander geben würde. Aber mit traurigem, geheimem Stolze wußte er auch, daß Alexander ihn brauche, daß er ihm notwendig und unersetzlich sei. –
    Alexander trieb es, eine Entscheidung herauszufordern, von der ihm zuinnerst klar war, wie sie ausfallen mußte. So stand er eines Nachts in dem zellenartig engen und kahlen Raum, der des Kleitos Schlafzimmer war. Es war Winter und eisig kalt. Alexander hatte nur ein leichtes Tuch übergeworfen; so stand er an der Türe und zitterte. Kleitos schaute kaum zu ihm hin; er lag ruhig auf dem Rücken, den Blick unverwandt nach der Decke gerichtet.
    Dieses Gesicht kannte man beinah nur lachend, umso wunderbarer, es plötzlich todernst zu finden. Vor allem die lustigen Augen hatten sich verändert, die Pupillen schienen weiter und schwärzer geworden. – Alexander, wie gelähmt von Schüchternheit, setzte sich zu ihm an den Rand des Lagers. Kleitos blieb regungslos. »Ich sehe auf einen Punkt«, sagte er rauh. »Bis der sich bewegt, warte ich.«
    »Willst du denn, daß er sich bewegt?« fragte Alexander ihn leise; ihm war, als schaute er, sehr unerlaubterweise, einem tiefgeheimen und verbotenen Spiele zu. »Ich will es nicht«, antwortete, ebenso leise, aber viel deutlicher Kleitos. »Ein anderer will es. Einer in mir. Aber ich kenne ihn nicht.« Er schwieg grausam. – Alexander kauerte an seinem Lager, ihm schlugen die Zähne gegeneinander vor Frost. Trotzdem verschlang sein Blick mit einer Zärtlichkeit ohnegleichen dieses steinerne und leere Gemach; das dürftige Lager und auf dem Lager das Kind, dessen Körperumrisse sich unter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher