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Alexander

Alexander

Titel: Alexander
Autoren: Klaus Mann
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politischen Angelegenheiten stark beschäftigt. Zudem interessierten Kinder ihn nicht, er hatte beschlossen, persönlich sich erst dann mit Alexander abzugeben, wenn der Junge fünfzehn Jahre alt sein würde. – Um diese Zeit war er noch nicht ganz dreizehn.
    Philipp vertraute seinen griechischen Pädagogen. Es waren wohlgepflegte und gewandte Herren, denen ein geziemendes Lächeln stets zur Verfügung stand. Da er sie hoch bezahlte, dachte der König, sie müßten auch tüchtig sein. Sie versprachen, den Prinzen in die Grundlagen der Mathematik einzuführen, ihm auch etwas Rhetorik und Geschichtskunde beizubringen; sogar das Leierspielen sollte er lernen.
    Seine Hoheit wären so begabt, behaupteten die Gutbezahlten schmeichlerisch beim König, daß es selbstverständlich an nichts fehlen könne. Unter sich spöttelten sie über den barbarischen Philipp, der so parvenühaft ihre Kultur anbete; aber diesen, das war nicht zu leugnen, hatten die Götter nun einmal mit einem fatalen, politisch-intriganten Talent gesegnet; davon ließ sich beim Kronprinzen noch nichts spüren, und die griechischen Pädagogen bezweifelten gerne, daß es jemals zum Vorschein käme.
    Denn dieser Knabe war entschieden unter seinen Jahren; so viel Zurückhaltung gab es nicht, der mußte unbegabt sein. Zugegeben, daß er nicht ganz ohne Anmut war, aber von einer linkischen Anmut, einer behinderten, die nichts Männliches, nichts Energisches hatte. – Nur seine Augen machten selbst die Pädagogen stutzig. Diese Augen hatten unter hochgewölbten, schwarzen Brauenbögen, die ständig wie emporgezogen wirkten – sogar die Stirn schien leicht in Falten zu liegen –, einen unheimlich erweiterten, hellen, saugenden Blick. Es war der zauberisch eindringliche Blick seiner Mutter, nur gar nicht weich, nächtig, verschwommen, auch eigentlich gar nicht spöttisch; vielmehr scharf, prüfend und von einem stählernen Grau. Leider hatte dieses Grau die beunruhigende Eigenschaft, manchmal ins Schwärzliche und sogar ins Schwärzlich-Violette zu spielen, und zwar so, daß die Farbe des einen Auges sich noch intensiver als die des anderen verdüsterte. Dann bekam das Gesicht dieses fröhlichen und sanften Jungen, der noch stundenlang, freundlich und einsam, mit Blumen oder kleinen Tieren spielte, etwas beinah Furchterweckendes; um den weichen, unfertig süßen Mund spielten Muskeln, die für später das Gefährlichste ahnen ließen. –
    Als Freunde und nächster Umgang waren für den Prinzen einige Knaben aus der Hocharistokratie Mazedoniens ausgewählt. Zu diesen gehörte Kleitos und Hephaistion.
    Alexander, Kleitos und Hephaistion waren meistens von den übrigen gesondert, nur bei den Mahlzeiten, beim Unterricht, bei den obligatorischen Spielen trafen sie mit ihnen zusammen.
    Dabei stand es kompliziert zwischen den dreien oder, genauer gesagt, zwischen Alexander und Kleitos, der sanfte Hephaistion war es, der darunter zu leiden hatte. Während Alexander und Kleitos stumme Kämpfe miteinander auszufechten schienen, verhielt Hephaistion sich neutral vermittelnd, sanft, gefällig und gegen beide mit der gleichen Zärtlichkeit. Sein schönes dunkles Gesicht war etwas zu groß und etwas zu ernst für sein Alter, mit wundervoll gezeichnetem Mund, edler Stirn und einem feierlich guten Blick. Nur die Wangenpartie schien ein wenig zu flächig, nicht ganz ausgefüllt, nicht bis in jede Muskel belebt. Hephaistion hatte eine rührende und liebenswürdig umständliche Art, sich zu verneigen, er tat es ausführlich, nicht ohne schelmische Grandezza, wobei er ein Lächeln andeutete. Wenn er die Lippen voneinander trennte, schimmerten mit bläulichem Schmelze die Zähne.
    Kleitos hingegen schien von beunruhigender Kindlichkeit. In seinen weichen Backen saß fast immer ein Lachen. Seine kleine und gerade Nase, an der Wurzel sehr schmal, verdickte sich babyhaft an der Spitze. In eine niedrige und helle Stirn fiel Haar; unter ebenmäßig schwarz gezogenen, langen Brauen hatten lustige Augen eine lebhafte und irritierend schillernde Sprache.
    In den Spielen seiner Phantasie begaben sich die unerhörtesten Dinge. Die Unsterblichen kamen zu ihm, Kleitos feierte Hochzeit mit allen Göttinnen des Olymps. Zwischen Witzen und Lügengeschichten zitierte er Philosophen. Obwohl es nicht zu ihm paßte, wußte er ziemlich viel.
    Er haßte es, berührt zu werden, scheute und verachtete Zärtlichkeiten. Als wäre seine Haut überempfindlich, schauerte er zusammen, streichelte einer
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