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Alexander

Alexander

Titel: Alexander
Autoren: Klaus Mann
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hast deine Sendung wesentlich verfehlt. So hättest du dir denken können, daß deine Todesstunde kein Wonnefest sein würde.«
    »Ich habe Angst«, jammerte der so fürchterlich Geweihte. »Ich sehe schon nichts mehr, nur noch Kreise und Raserei – oh, wie schwirrt‘s durcheinander –«
    »Das Gericht kommt nicht zärtlich!« donnerte der Bevollmächtigte, der sich ununterbrochen verwandelte, wie eine Flamme, in die Sturm bläst.
    »Alle liebten mich, die ich tötete!« verteidigte sich der auf dem Lager.
    Und der Engel, nicht mehr wild, sondern ganz Andacht, Sammlung und Würde: »Das nächste Mal wirst du so weit sein, daß du für die sterben kannst, die du liebst.«
    Der König verstummte. Nach einer Pause, die lang war, fragte er bittend: »Werde ich dann das Reich der Glückseligkeit einrichten dürfen auf Erden?«
    Daraufhin weinte der Engel. Er ließ Tränen fallen, die seine Blumen naß machten und auch auf seine dick verbundenen Hände fielen. Er neigte sich über den Sterbenden. Der glaubte ihn zu erkennen. Dieses Gesicht hatte er schon gesehen. War es einfach der junge Blonde? Es war der Unzähligen einer, die für ihn gestorben waren.
    »Jetzt funkelst du nicht mehr«, flüsterte Alexander und atmete leiser vor Dankbarkeit. Der Engel, mit dem hellen, weinenden Gesicht: »Alexander, dein junges Gesicht ist verwüstet, was für häßliche Falten. Und die Haut ist ganz schlaff –« Alexander, der jetzt auch weinte, aber vor Rührung und Dankbarkeit: »Du bist der erste, Engel, der über meine erschlaffte Haut weint. – Bin ich trotzdem verdammt?« Statt zu antworten erkundigte sich der Gesandte: »Was war schwerer, das Siegen oder das Unterliegen?«
    »Ich kann beides nicht mehr unterscheiden«, überlegte reuevoll Alexander. »Denn in den Siegen spürte ich schon die Niederlage voraus –«
    Er erinnerte sich. Alexander, der noch niemals erzählt hatte, begann zu erzählen. Er legte sein mitgenommenes Haupt in die geöffneten Arme des Engels. Der nickte erfahren. »Erzähl nur!« ermutigte er ihn sanft.
    So begann er bei den Kindermärchen der Olympias, die den Auftrag vorbereitet hatten. »Ohne den Auftrag wäre alles anders gekommen«, behauptete er, als wolle er sich entschuldigen. Der Engel über ihm wiegte nachsichtig den Kopf, lächelte und weinte.
    Den Philipp, seine rohe Gewandtheit und seinen unschönen Tod erwähnte Alexander nur flüchtig. Sehr ausführlich hingegen schilderte er alles, was mit Kleitos zusammenhing; vor allem die Nacht, in welcher das »Du störst mich sehr!« gesprochen worden war. An dieser Stelle fühlte er die Tränen des Engels am reichlichsten fließen. Dann verstärkte sich ihr Strom noch einmal, als Alexander zu der Nacht mit dem Hephaistion auf dem Schiffsdeck kam. »Das wird keiner erfahren«, sagte stolz der scheidende Alexander, das Gesicht an der Brust seines Engels. »Aber sogar Hephaistion wollte mich nicht.«
    »Er wagte nicht zu glauben, daß du ihn wolltest«, korrigierte der Engel ihn, zärtlich, aber genau. »Keiner wagte daran zu glauben, keiner«, beschwerte sich der Beichtende an seiner Brust.
    Er beichtete weiter. Von Roxane, die keinen Sohn von ihm empfangen durfte. »Ich durfte ihr die Hochzeitsnacht nicht gewähren«, sagte er trostlos, doch stolz. »Dem Kleitos nicht und dem Hephaistion nicht, am wenigsten ihr. Ich tötete den Geliebten, dafür rächt sich die Gattin.«
    Der Engel, der ihn verstand, streichelte ihn ernster und mitleidsvoller.
    Die geflüsterte Konfession ging zu Ende. Alexanders Stimme, die matter wurde, gestand noch das sündhafte Sich-Verlieren an die unanständige Kandake, später an Bagoas, den süßen Zwitter, und die treulos unverzeihliche Entfremdung von Hephaistion.
    Als er schwieg, sagte auch der Engel nichts mehr. »Und zuletzt habe ich noch deine Hände verwundet«, fügte Alexander nach großer Pause hinzu. Er legte seinen Mund auf die eingewickelten Hände. »Nun brauchst du nicht mehr zu antworten«, hauchte er noch. »Du hast dein Urteil ja schon vor der Beichte gesprochen. Ach, ich habe wesentlich gefehlt –«
    Dieses reuevolle Wort hatte der bewanderte Engel noch aus keines Griechen Mund gehört. So fühlte er: dieser war reif. Und er verhieß ihm, sicherer als das erstemal: »Du wirst wiederkommen, in anderer Erscheinung.«
    Alexander darauf, wißbegierig wie als Knabe im Brunnenhain: »Um das Reich aufzurichten, mein Engel? Um das Reich aufzurichten?«
    Aber die Konturen des Engels mit den verletzten
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