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Alexander

Alexander

Titel: Alexander
Autoren: Klaus Mann
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manche sah man in den Lüften flattern; manche, ganz besonders widerliche, krochen auf der Erde, wo sie eine schleimige Spur hinterließen.
    Die drei schweigenden Helden kämpften mit Schwert und Beil. Wollte einer umsinken, hielt ihn der andere, wortlos, aber tröstend mit festem Druck. – »Wohin führe ich sie?« besann sich mit äußerster Inständigkeit Alexander.
    Den schmalgewordenen Lauf des Euphrat konnten sie zwischen den Felsen noch sehen. Sie merkten, daß sie fast an der Quelle waren. Diese Quelle zu finden schien zunächst allein von Wichtigkeit. Gebückt suchten sie. Als sie sich aufrichteten, standen sie vor einer hohen, schwarzglänzenden Mauer, die die ganze Breite der Landschaft einnahm und deren Ende nicht zu sehen war.
    Da wußte Alexander, was er gesucht hatte. Er wandte sich zu feierlicher Ansprache.
    Er redete wie zu einer Armee, mit weiten und pathetisch herrschenden Armbewegungen. Kleitos und Hephaistion, die blutenden Gesichter ehrfurchtsvoll gesenkt, lauschten ihrem Befehlshaber. Der rief: »Mazedonen! Hellenen! Es ehrt euch, o meine Scharen, daß ihr mir bis hierher gefolgt seid! Euch wird die Geschichte, mit mir, preisen! Sogar der Ruhm des großen Kyros wird nichtig neben dem unseren. Bis hierher ist keiner gekommen, keiner von allen Königen Asiens oder Europas.« Er reckte sich im Triumph, sein Blick glühte. »Wißt ihr denn, wo wir sind? Wir sind an der Pforte des Paradieses. Auszufechten bleibt noch ein Kampf, der endgültig letzte, dann haben wir alle besiegt, dann wissen wir alles. Hellenen! Mazedonische Männer!« Er stand mit gebreiteten Armen an der undurchdringlichen Mauer wie gekreuzigt, aber dabei jubelnd. »Das Reich des Glückes und der endgültigen Seligkeit ist auf Erden nur zu verwirklichen, wenn wir auch die himmlischen Heerscharen, unsere zähesten Widersacher, die Engel, besiegt haben. Nur dann, meine Freunde, nur dann!« Nach einer Pause sagte er noch, wobei in seine Stimme etwas wie Furcht, Ermattung und Klage kam: »Was aber haben wir erreicht, wenn wir nicht das Reich des Glückes und der endgültigen Seligkeit errichtet haben auf Erden?«
    Diese Frage, die seines Lebens ganze Trauer enthielt, klang noch in den Ohren seiner Freunde; da wandte er sich schon mit funkelndem Schwert gegen die Mauer, die ihm geheimnisvoll entgegenstarrte. Er schrie anfeuernd; auch Kleitos und Hephaistion stürzten mit der blanken Waffe vor.
    Gegen welchen Feind ging es diesmal? Sie sahen ihn nicht, wahrscheinlich war er gerade deshalb der gefährlichste. Es schauderte sie, denn eiskalter Wind blies sie an. Sie fühlten sich starr werden, und sie sanken schon hin. Ihren plötzlich mattgewordenen Händen entfiel das Schwert, das so oft gesiegt hatte. Sie lallten noch; war es ein Abschiedsgruß für den König? Dann schwiegen ihre Lippen, die weiß aussahen.
    Als Alexander merkte, daß sie tot waren, erschrak er über seine Einsamkeit. Einen Augenblick schien ihm, daß es unerträglich wäre. Hinter der Mauer mahnte eine metallene Stimme: »Zu dem Kampf mit uns mußtest du, Alexander, ganz allein sein. Noch die Letzten mußten von dir!« Es sprangen Torflügel auf, eine Helligkeit, die blendete, ergoß sich gegen den König, der zum Kämpfen bereit war. Er stürzte vor, wieder die Waffe gereckt, so unerbittlich wie noch nie entschlossen, alles, auch das Allerletzte, einzusetzen.
    Er erkannte die Heerscharen nicht, die aus dem offenen Tor auf ihn zukamen. Diese schienen ganz in Helligkeit aufgelöst, nur er, der einzelne, war beschattet. Er fühlte Angst ohne Grenzen, vor dem wilden Glänze, der sich streitbar bewegte. Aber mit beispiellosem Trotze eilte er ihm entgegen – er, der vereinzelte Dunkle, der rachsüchtigen Masse des Lichts –; da stand er vor dem silbern gepanzerten Anführer.
    In strenger und zarter Anmut hob sich das Haupt dieses lieblichen Feindes über der glitzernden Rüstung. Er trug keinen Helm, sondern das blonde Haar frei. Nun merkte Alexander, daß er auch unbewaffnet war. Er hielt dem anstürmenden Rebellen nur abwehrend die Handflächen entgegen; nackte, rührende Handflächen, deren klare Linien eine kluge, eindringlich stille Sprache redeten.
    Alexander schwang in den Fäusten zwei Pfeile. Vor seinem geduckten Ansturm wich die lichte Front seiner Gegner, auch der Erzengel mit den abwehrenden Händen.
    Rauh aufbrüllend stieß Alexander dem Schönen die beiden Pfeile in die beiden hingehaltenen Hände.
    Die Ärzte konnten ihn beinah nicht halten, so
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