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Alexander

Alexander

Titel: Alexander
Autoren: Klaus Mann
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sollten. »Für den mir vorbestimmten Ruhm«, dachte er düster, während er sie musterte.
    Es waren kräftige junge Männer verschiedener Rasse: Mazedonen, Perser, Griechen, Ägypter, auch Indier; sie hatten helle und dunkle Haut, glattes oder gekraustes Haar, stämmige oder zarte Glieder; aber alle hatten sie für Alexander denselben scheuen und andächtigen Blick, in dessen Ergebenheit sich Grauen mischte. Mit diesem furchtsamen und teilnahmslosen Blick sieht man nicht Menschen an, sondern Götzenbilder, die unlebendig, unfähig zum Leid oder zur Freude, die nichts sind als mächtig. –
    An einem dieser Vormittage passierte das unüberbietbar Peinliche und Fürchterliche, das mehr als alle anderen üblen Vorzeichen den König und seine Umgebung in eine Angst versetzte, die an Panik grenzte.
    In einer Pause zwischen den Musterungen war der König mit etlichen Offizieren zum Bassin im Park gegangen, um sich zu erfrischen. Auf dem Thronsessel hatte er den königlichen Mantel, das Diadem und das verzierte Schwert gelassen. Als sie zurückkamen, saß auf seinem Stuhle ein Fremder. Sie erbleichten vor dieser Frechheit, denn er hatte auch den Mantel Alexanders umgelegt, sein Diadem auf dem Kopf, in den mageren Fäusten sein Schwert.
    Sie traten näher, da sahen sie: er hatte goldbraune, zerstreute Augen, einen wehleidigen, verzogenen, breiten Mund, der nichts konnte, als lallen, in die niedrig eckige Stirn hing verfilztes Haar. Es war Arrhidaios, der verloren Geglaubte.
    Alexander, mit einer Stimme, die heiser war, fuhr ihn an: »Was machst du hier?« Der auf dem Thron höhnte, als habe er den Bruder immer beobachtet, ihn immer gesehen und wollte ihm nachäffen: »Ich bin der König von Asien.«
    Den entsetzten Offizieren schien er‘s wirklich zu sein; er war ihres Königs verzerrter Doppelgänger. Sie stießen ihn vom erhöhten Sessel, aber Alexander winkte, ihn nicht zu schlagen. Er war ruhig geworden.
    »Das ist der Spuk vor dem Ende«, sagte er leise.
    V
    Der Fluß, dessen Lauf sie stromaufwärts verfolgten, wurde immer gefährlicher. Zehn finstere Ruderknechte stöhnten, trotzdem kam man beinah nicht vorwärts. Strudel und Untiefen, treibendes Gehölz, auch Ungeheuer machten ihnen zu schaffen. Allerlei Gewürm ballte sich zu häßlichen Knäueln; Alexander, von der Spitze des Schiffes aus, stach mit der Lanze hinein. Aber daneben erhoben schon Krokodile ihre erschreckenden Köpfe.
    Es war der Euphrat, den sie hinauffuhren. Sie wollten an seine Quelle; aber was suchten sie dort? Alexander, während er mit Gewürm und bösen Stachelfischen focht, dachte nach, die Brauen angestrengt zusammengezogen.
    Bei ihm im Boot waren einige Freunde, Hephaistion, Philotas, Kleitos, auch Knaben; er erkannte den jungen Blonden. Er vermißte die altbewährten Getreuen, wo war, zum Beispiel, Parmenion? –
    Kaum hatte er es gedacht – er grübelte noch über den Verbleib des Alten –, als sich vor seinen sehenden Augen mit einem traurigen kleinen Laut Philotas ins Nichts auflöste. Er war fort, war leise aufklagend dahingeschwunden; gleich nach ihm verflüchtigte sich der junge Blonde. Alexander konnte nichts tun, als hinstarren. Hatten die Krokodile und schuppig geflügelten Unholde, die ihre geblähten Häupter über dem Bootrand schüttelten, sie mit geheimnisvollem Schnappen verschlungen?
    Um sie herum wurde es immer wilder, Felsengebirg verfinsterte den Fluß, auch die Strömung ward stärker, mit ihr das Gestöhn der Ruderknechte. Bäume und Gras hatten längst aufgehört, es gab nichts als zerklüftete Öde. Raubvögel kreisten boshaft stumm über den Gipfeln, in den Abgründen schlichen schwärzliche kleine Tiere einher; »wahrscheinlich Hyänen«, wie Alexander mißtrauisch dachte.
    Da waren es die Ruderknechte, die mit einem mehr grollenden als klagenden Brummen und Stöhnen verschwanden. Alexander, Kleitos und Hephaistion sprangen ans Ufer. Sie beschlossen, daß sie zu Fuße weiterwollten, wortlos.
    Während sie den Weg durch Dorngebüsch und Steingebröckel sich bahnten, dachte Alexander angestrengt nach. Er wußte nicht, was er suchte. Sein Gesicht blutete, auch die Gesichter seiner beiden letzten Freunde waren verwundet. Sie klagten nicht, fragten auch nicht nach dem Ziel. Stumm und blutend folgten sie ihrem König.
    Mit den Drachen wurde es immer unerträglicher, sie mußten nach rechts und links hauen. Solche waren darunter, die Feuer spien, andere, deren Atem giftig stank. Sie heulten hinter Felsen hervor,
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