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Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus

Titel: Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
Autoren: Ann Benson
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gewesen - Papst Urban persönlich sprach die Predigt.
    Bevor wir Paris wieder verließen, arbeiteten wir nahezu vierzehn Tage ohne Unterlass, und mit Gottes Gnade gelang es uns, eine vollständige Abschrift der Cyrurgia anzufertigen. Wir nahmen sie mit nach Nantes. Nach unserer Rückkehr suchte mein guter Gemahl unverzüglich eine kleine Kirche auf, und obwohl es gegen seinen Glauben verstößt, zündete er de Chauliac zu Ehren eine Kerze an. Ohne sich dessen zu schämen, ließ er seinen Tränen um die Seele unseres geliebten Lehrers und Freundes freien Lauf. Und da wir nun über eine Abschrift der Cyrurgia verfügten, nahm mein Gemahl es auf sich, das Werk selbst ins Englische zu übersetzen. Er verbrachte den Großteil des darauffolgenden Jahres damit, aber wir sind unsagbar stolz darauf, dass wir selbst in solch bedeutsamer Weise daran beteiligt sind.
    Chaucer blickte Kate an. »Hat dieser Mann die Arbeit denn niemals ruhen lassen?«
    Kate lachte leise. »Nicht, dass ich mich erinnere. Das gab er an meinen Sohn weiter, fürchte ich, obwohl nicht das gleiche Blut in ihren Adern fließt.«
    Guillaume ist unermüdlich mit irgendeiner Schnitzarbeit beschäftigt; er fertigte für uns einen Schrank aus dem Holz der Walnuss an, und ich schwöre, dass ich noch niemals etwas so Schönes sah. Wir bewahren unsere Schriftstücke darin auf, auch wenn es nur wenige sind. Jeden Tag, nachdem ich in diesem Tagebuch geschrieben habe, lege ich es
in eines der Fächer, in dem Wissen, dass es dort sicher und trocken verwahrt ist …
    Die liebe Kate ist eine vorzügliche Hebamme geworden, in ganz Frankreich findet man keine Frau, die einem Kind mit so viel Geschick und Fürsorge auf die Welt helfen kann wie sie. Sie wird oft zur Familie de Rais gerufen, um deren Kinder auf die Welt zu holen; sie sind ein hochmütiger Haufen und haben keine Ahnung, dass eine Tochter des Königs von England die schreienden Säuglinge aus ihrem vornehmen französischen Schoß zieht, zumeist mit glücklichem Ausgang. Gestern hat sie Drillingen auf die Welt geholfen, und durch Gottes Gnade haben alle drei überlebt. Alejandro sagt, das sei ein Zeichen, dass Gott uns gewogen ist …
    Heute jährt sich der Tag unserer Heirat. Mein lieber Gemahl schenkte mir einen Band des Engländers Geoffrey Chaucer, der mit ihm gemeinsam das Komplott zu Kates Befreiung schmiedete. Gott möge diesen braven, mutigen und außergewöhnlichen Mann segnen und behüten! Es ist ein höchst vergnügliches Werk, mit wunderbaren Figuren, von denen jede ein eigenes Schicksal hat, eine eigene Geschichte zu erzählen weiß.
    Die Geschichte des Medicus gefällt mir allerdings nicht.
    Ich wünschte mir ein besseres Ende.
    Und der letzte Eintrag vom 8. September 1393:
    Meine Seele ist leer und voller Trauer. Gestern raubte mir der Schlagfuss meinen Gemahl Alejandro Canches. Er hielt sich in seiner Studierstube auf, die er ähnlich der seines dahingeschiedenen Freundes de Chauliac eingerichtet hatte. Er saß über einer Glasplatte mit Blut. Er hatte alle möglichen Tinkturen hinzugefügt und wollte die Ergebnisse seiner Experimente begutachten; es handelte sich um das Blut einer Frau, die an der Pest erkrankt war und
wieder genas. So etwas sah ich schon einmal, sagte er zu mir, vor vielen Jahren in England, und ich muss dieses Geheimnis enthüllen.
    Bis zu seinem letzten Atemzug strebte mein teurer, geliebter Alejandro nach Wissen und setzte alles daran, das Los seiner Mitmenschen zu erleichtern, sei es Christ oder Jude. Wir sind alle Kinder ein und desselben Gottes, pfegte er zu sagen, und er lebte sein Leben in Erfüllung dieses Glaubens.
    Und daher, Allmächtiger Gott, bitte ich Dich, in Deiner unendlichen Weisheit einen Weg zu finden, der Welt erneut einen solchen Mann zu schicken, damit sie aus seinem wundertätigen Wirken Nutzen ziehe.
    Sir Geoffrey Chaucer hielt sein Pferd vor dem eichenen Torbogen an und holte erst einmal tief Luft, bevor er die beiden mächtigen Eichen passierte. Ein Wind erhob sich, aber er blies nicht so schneidend wie beim ersten Mal, als er durch den Bogen geritten war. Der Weg zu der steinernen Kate schien sich ebenfalls verändert zu haben, er war kürzer und nicht mehr von knorrigen Wurzeln überwachsen. Er fragte sich, ob der Ort über die Macht verfügte, sich im Lauf der Zeit zu verändern, denn so kam es ihm vor.
    Als er auf die Lichtung kam, erblickte er eine alte Frau, die ein rotes Umschlagtuch trug und damit beschäftigt war, eine Schar Hühner zu
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