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Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus

Titel: Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
Autoren: Ann Benson
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und nahm seine Beileidsbekundung mit einem Nicken entgegen. »Er hatte einen guten Tod, falls man von so etwas überhaupt sprechen kann. Ich hoffe, dass meiner eines Tages ebenso rasch sein wird.«
    »Wie geht es Eurem Sohn?«
    »Sehr gut, das kann ich mit Bestimmtheit sagen. Er wohnt bei mir, nicht weit von hier entfernt.«
    Chaucer wusste kaum, was er in Anbetracht ihres ungewöhnlichen Lebensweges zuerst fragen sollte. »Betreibt er … ein Gewerbe?«
    »Er fertigt Möbel und andere Dinge aus Holz an. Seine Arbeiten sind wahre Kunstwerke.«
    »Dann könnt Ihr als Mutter stolz auf ihn sein. Aber Ihr seid nicht … ich meine, Ihr habt nie …«
    »Wieder geheiratet?« Sie lachte. »Nein. Eine Frau muss ihre Familie verlassen, wenn sie heiratet, und das widerstrebte mir. Bei allem, was Ihr über meine Familie wisst, versteht Ihr meinen Unwillen gewiss.« Sie senkte kurz den Blick, als hinge sie Erinnerungen nach. Dann sah sie ihn wieder an und sagte: »Und Eure Gemahlin? Wir hörten, dass sie eine gute Frau ist.«
    »Sie starb vor sieben Jahren.« Jetzt war es an Chaucer, den Blick zu senken. »Unsere Ehe war nicht mustergültig, aber das, was man über sie sagt, stimmt - sie war eine gute und anständige Frau. Es war allein meine Schuld, dass wir nicht glücklich waren. Gott möge mir vergeben, aber von Zeit zu Zeit überkam
mein Herz die Sehnsucht nach einer anderen. Zu oft, wie ich gestehen muss.« Er hob den Blick und sah Kate in die Augen. »Ich konnte sie niemals ganz aus meinen Gedanken verdrängen.«
    »Auch ich will gestehen«, sagte sie leise, »dass Ihr einen Platz in meinem Herzen hattet. Und in meinen Gebeten, wie ich es Euch versprach.«
    »Diese Gebete besitzen offenbar eine große Macht, da mein Leben unter einem guten Stern zu stehen scheint.«
    »Man hört oft von Eurem glücklichen Geschick, den Ehrungen, den Gunstbezeigungen des Königs... von Euren wunderbaren Werken! Ich habe jedes davon gelesen, sobald ich seiner habhaft werden konnte.« Sie beugte sich etwas vor und sagte mit blitzenden Augen: »In der Tat, Mylord Chaucer, Eure Canterbury-Erzählungen versetzten mich in Entzücken! Ich brauche Euch wohl kaum zu sagen, warum! Eure Witwe aus Bath ist bis ins kleinste Detail gelungen. In Eurer Darstellung bedarf sie freilich eines Zensors, da werdet Ihr mir sicher zustimmen! Aber sie ist eine wundervolle Schöpfung, klug und weltgewandt und des Nacheiferns wert.«
    Er ließ sich ihr Lob nur zu gern gefallen »Und die Geschichte des Medicus ?«, erkundigte er sich. »Was haltet Ihr davon?«
    Sie dachte kurz nach. »Ich hätte mir ein besseres Ende gewünscht«, sagte sie, »obwohl es der Geschichte des Ritters auf unserer Reise sehr ähnlich war. Er sagte uns niemals, wie seine Tochter starb, und wir drangen nicht in ihn. Damals erschien es uns zu grausam. Aber Euer Ritter - die eigene Tochter zu töten, um sie vor denen zu schützen, die ihr Schaden zufügen würden, er bedarf eines Übermaßes an Gnade. Es erscheint - ungeheuerlich.«
    »Manchmal muss man um des dramatischen Effekts willen übertreiben«, beeilte Chaucer sich zu erklären. »Ich schrieb das, was mir als schlimmstmögliches Geschehen erschien, und dabei betete ich die ganze Zeit zu Gott, dass Ihm etwas Besseres einfallen möge.«

    »Nun«, sagte sie leise, »Eure Gebete hatten sicherlich Einfluss auf mein Leben, wenn auch nicht auf das des bedauernswerten Ritters.« Mit diesen Worten zog sie ein Buch unter ihrem Umhang hervor. Sie reichte es Chaucer, der es einen Moment lang musterte, bevor er sie fragend ansah.
    »Mein Vater führte viele Jahre lang ein Tagebuch. Er ließ es - unabsichtlich - in Mutter Sarahs Hütte zurück, als wir nach dem ersten großen Sterben so überstürzt aufbrechen mussten. Beharrlich behauptete er, es müsse sich noch dort befinden, Sarah, die Tochter, habe es ihm vorenthalten, als er bei seiner Rückkehr während der pestis secunda danach fragte. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber wie Ihr Euch vielleicht erinnert, entsprach es nicht seinem Wesen, unwahre Behauptungen aufzustellen.« Sie deutete mit einem Nicken auf das Buch. »Das, was Ihr da in Händen haltet, ist das Tagebuch, das seine Frau führte, es beginnt mit seinem Unterfangen, mich zu befreien, und endet vor wenigen Monaten mit ihrem Tod.«
    »Er war verheiratet! Es macht mich sehr glücklich, das zu hören!«
    »Ja, sie war die geliebte Frau, die er in Paris zurückließ, als er nach England kam, um mich zu befreien. Er führte ein gutes
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