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Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Titel: Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
Autoren: Ann Benson
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bestimmt war, den Hunger zu unterdrücken. Dicht dahinter folgte ein weiterer Steward und teilte etwas aus, das die Fluggesellschaften »sterile Verzehrvorrichtungen« nannten, ein medizinisch korrekter Euphemismus für das, was früher einmal Plastikstrohhalme hieß. Mit fünfundvierzig war Janie zu jung, um sich an die Zeit zu erinnern, als Strohhalme noch aus gerolltem Wachspapier hergestellt wurden; alle Strohhalme ihres Lebens waren aus Plastik gewesen. Sie war sicher, daß es eine Zeit gegeben hatte, als Strohhalme tatsächlich aus Stroh waren - und daher ihren Namen hatten. Sie schüttelte schweigend den Kopf, seufzte und dachte darüber nach, daß die Dinge sich anscheinend pausenlos veränderten - und die Veränderungen selten erfreulich waren.
    Sie schaute hinüber zu ihrer plötzlich schweigenden Sitznachbarin, die ein Ende des Strohhalms durch die Gummiöffnung am unteren Rand ihrer sterilen Maske schob. Janie beobachtete, wie sie den Halm hochdrückte, bis er in Reichweite ihrer Lippen war. Dann steckte sie das andere Ende in ein kleines Gummiventil oben auf der Schachtel, das sich eng um den Halm schloß und eine luftdichte Versiegelung bildete. Die Frau begann fröhlich zu saugen und gab dabei eine Reihe ziemlich zweideutiger Geräusche von sich, die Janie durch ihren Kopfhörer hören konnte. Die Frau blickte auf, sah Janie über die Geräusche kichern und schaltete rasch ihr Mikro aus. Sie lächelte Janie ein wenig verlegen an und schaute dann wieder weg, beschäftigt mit ihrem nunmehr lautlosen Essensritual.
    Gut , dachte Janie, das wird Sie für eine Weile zum Schweigen bringen . Sie wissen nicht , was Sie für ein Glück haben, Lady; wenn Sie mir weiter zugesetzt hätten , hätte ich Ihnen vielleicht von meinen eigenen Problemen erzählen müssen . Etwa , daß ich mal Chirurgin war, eine gute dazu, und daß ich eine wunderbare Familie hatte , die es jetzt nicht mehr gibt ; daß ich von einer wenig mitfühlenden Bürokratie gezwungen wurde , mich umschulen zu lassen ; daß ich jetzt in mittleren Jahren und ganz allein bin und wieder zur Schule gehe.
    Sie stellte ihre Kopfhörer ab und nahm ihre eigene flüssige Mahlzeit in Angriff. Die Stille gab ihr das Gefühl, unter Wasser zu sein; sie konnte zwar manche Geräusche hören, aber sie waren durch die Dichte der Versiegelung gedämpft. Die tote, sterile Luft innerhalb des Schutzhelms leitete Schall nicht gut; sie schloß die Augen und stellte sich vor, sie sei in irgendeinem stillen Wald aus hohen Nadelbäumen, und die einzigen hörbaren Laute seien gelegentliches Vogelzwitschern und Insektengesumm, woran sie sich von Ausflügen in ihrer Kindheit erinnerte. Der Friede war wunderbar beruhigend.
    Den Stewards erging es nicht so gut, denn sie mußten sich zwangsläufig anhören, wie sich steife Plastikflächen aneinander scheuerten, wenn die Passagiere in ihren plumpen sterilen Anzügen herumrutschten, um es sich etwas bequemer zu machen. Diese einengenden Kleidungsstücke sollten dazu dienen, alle mikroskopisch kleinen amerikanischen Tierchen eingesperrt zu halten, damit sie nicht in das einzig überlebende Stück dessen eindringen konnten, was einmal das Vereinigte Königreich gewesen war. Das Geräusch war nur geringfügig weniger entnervend als Fingernägel, die über eine Schultafel kratzten. Für die unglückseligen Stewards, die für die Bequemlichkeit und Sterilität der Passagiere zu sorgen hatten, war dieser und jeder andere Transatlantikflug immer mit einer Art merkwürdig kristallinem Geknister verbunden.
    Die Flugzeugpassagiere standen in einer Schlange vor dem Zollbereich des Flughafens Heathrow. Janie schaute zum hundertsten Mal, seit die Passagiere ihres Fluges in diese Schlange getreten waren, zum Zwischengeschoß hoch und musterte eingehend den grüngekleideten Biocop, den Vertreter der Biologischen Polizei, der dort stand, sich kaum bewegte und sein chemisches Gewehr seit zwei Stunden in der gleichen Bereitschaftsstellung hielt. Es war direkt auf die wartende Schlange der ankommenden Passagiere gerichtet und rührte sich nicht von der Stelle. Während sie zuschaute, richtete der Biocop sich auf und hob die Hand an die Schläfe, um die Lautstärke seiner Kopfhörer zu verstellen. Nach ein paar Augenblicken intensiven Lauschens blickte er in Richtung einer nahen Tür, und binnen ein oder zwei Sekunden kam ein weiterer Biocop heraus, bewegte sich geräuschlos über die Laufplanke und stellte sich neben den ersten. Nach einem kurzen
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