Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Titel: Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
Autoren: Ann Benson
Vom Netzwerk:
gewesen, ihre Sache zu übernehmen. Doch seine schwierige Geburt hatte ihm etwas von den mentalen Fähigkeiten geraubt, die er sonst von seiner Mutter geerbt hätte, und bevor es mit ihr zu Ende ging, hatte sie dafür gesorgt, daß die anderen sich statt dessen seiner annehmen würden.
    Sie hatte ihm gesagt, das Buch enthalte alles, was er wissen müsse, um das, was vor ihm lag, auf die rechte Weise zu vollbringen. Er schaute auf den modrigen alten Band nieder und wollte ihn aufschlagen; dabei stellte er mit Schrecken fest, daß er die Feder herausgezogen hatte. Sie hatte die Seite markiert, mit der er hätte beginnen sollen. Heiße Scham und Angst, seiner Mutter nicht gerecht zu werden, durchflutete ihn. Wie konnte er die Seite verlieren? Sie hatte sie mit solcher Sorgfalt für ihn gekennzeichnet.
    Er begann ganz am Anfang, blätterte die Seiten vorsichtig um, murmelte vor sich hin, suchte in der alten Schrift nach vertrauten Wörtern. Auf den ersten Seiten war die einst schwarze Tinte im Laufe der Jahrhunderte zu einem trüben Braun verblaßt, nicht viel dunkler als die fleckige Seite, auf die sie ursprünglich geschrieben worden war, und es war eine schwierige Aufgabe, die Buchstaben zu erkennen. Die Schrift war krakelig und wirkte fremd, geschrieben in einer Sprache, die er nicht lesen konnte, obwohl seine Mutter mehrmals versucht hatte, sie ihm beizubringen. Er schaffte es nie, sie zu begreifen. Er fühlte sich sehr dumm, ging ungeduldig die Seiten durch und erreichte endlich die Stelle, die in einer Sprache geschrieben war, die er lesen konnte; die Tinte war viel dunkler, aber noch immer heller als die jüngsten Einträge. Er hielt nicht inne, um zu lesen, bis er die Stelle erreichte, wo die frische Tinte kohlschwarz und die Ränder der Buchstaben noch klar waren, wo die Einträge die vertraute Schrift der Frau aufwiesen, die nun tot auf dem schmalen Bett lag. Dort las er langsam und sorgfältig, um sicher zu sein, daß er alles ge- nau begriff, denn er wünschte sich sehr, alles ganz richtig zu machen, wenn die Zeit kam.
    Sie hatte ihm gesagt, es werde noch eine Aufgabe auf ihn zukommen, die viel von ihm fordere, und alles, was er dazu wissen müsse, sei in dem Buch zu finden. Die Aufgabe werde ihm zufallen, hatte sie gesagt, weil sie zu ihrer Zeit nicht gekommen sei. Aber sie hatte nicht sagen können, wann genau das passieren würde. Er hoffte von ganzem Herzen, daß er den Mut und die Kraft finden würde, seine Rolle genauso zu spielen, wie sie es getan hätte, wenn die Aufgabe sich zu ihren Lebzeiten gestellt hätte. Er schaute zu den Augen im Fenster auf und nickte ganz leicht, die Beobachter erwiderten sein Nicken alle gleichzeitig. Sie erkannten ihre Komplizenschaft an.
    Er dachte, das sei immerhin etwas. Er betete, daß es genug sein würde.

Null
    April 2005
     
    Gerade als Janie Crowe sich halbwegs zufrieden fühlte, machte etwas klick in der Maschinerie der Welt, und alles kam zu einem schmerzhaften Stillstand.
    »Es ist doch die reine Ironie, finden Sie nicht?« sagte die Frau auf dem Flugzeugsitz neben ihr; ihre Stimme war durch den kleinen Lautsprecher in ihrer Schutzmaske ins Nasale verzerrt, »daß es so etwas Einfaches war? Ich meine, denken Sie doch bloß mal an all die ungeheuerlichen Möglichkeiten. Es hätte ein Nuklearunfall sein können. Ein Komet, der auf die Erde stürzt. Irgendeine Terroristengruppe mit einer Lastwagenladung chemischer Waffen. Aber nein. Nichts so Dramatisches. Es war bloß ein dummes Bakterium.«
    »Kann sein«, antwortete Janie trocken und hoffte, ihr Ton verrate ihr Desinteresse. Wann würden diesem lästigen Weib endlich die traurigen Geschichten über all die unangenehmen Dinge ausgehen, die ihr seit den Ausbrüchen zugestoßen waren? Wann würde sie endlich mit ihrem dämlichen Gejammer aufhören? Janie beschloß, falls sie sich das nach dem sogenannten »Lunch« noch weiter anhören mußte, ein paar von ihren eigenen Lieblingsanekdoten über die Ausbrüche zum besten zu geben. Im Vergleich dazu würden sich die Unannehmlichkeiten, die die Frau erlebt hatte, mit Sicherheit trivial ausnehmen.
    Das Flugzeug rumpelte weiter in Richtung London über den Atlantik. Kein Krebs mehr , aber Turbulenzen haben wir noch immer , dachte Janie bei sich. Ein Steward ging langsam durch den Mittelgang, unerklärlich sicher auf den Beinen, während das Flugzeug auf und nieder hüpfte, und verteilte an alle Passagiere kleine, quadratische Schachteln mit Ersatznahrung, die dazu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher