Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Akte X

Akte X

Titel: Akte X
Autoren: Seilbahn zu den Sternen
Vom Netzwerk:
nichts zu sehen. Mulder ging an den anderen Patienten vorbei und erreichte Scullys Bett. Er konnte an ihr kein Anzeichen von Schmerzen oder Krämpfen entdecken. Wenn der Tod tatsächlich zu ihr gekommen war, dann war das lautlos und unauffällig geschehen.
    Mulder zog einen Stuhl näher an das Bett heran und setzte sich. Scully lag auf dem Rücken. Ihre Haut war bleich, ihre Brust hob und senkte sich kaum merklich. Mulder warf einen Blick auf die EEG-Anzeige. Die Linie ihrer Lebensfunktionen war regelmäßig, aber die Ausschläge waren schwach, furchtbar schwach.
    Langsam streckte er eine Hand aus und verflocht seine Finger mit den ihren. Sie reagierte nicht. Ihre Haut war kühl und etwas feucht. In der Berührung ihrer Finger erkannte er ihre und seine Sterblichkeit. Es war diese Sterblichkeit, gegen die er bisher angekämpft hatte.
    Das war es, wovor er geflohen war, vor der Wahrheit, die am Ende aller Dinge wartet, vor der Wahrheit, der man nicht entkommen kann. Und jetzt lag sie deutlich vor ihm. Man konnte sich ihr nicht widersetzen. Die einzige Möglichkeit, sie zu besiegen, bestand darin, sie zu akzeptieren.
    Mulder atmete stockend. Als er zu sprechen begann, schienen die Worte aus einer Quelle tief in seinem Inneren zu kommen, die er selbst nicht genau fassen konnte.
     
    »Ich spüre, Scully... daß Sie nicht glauben, daß die Zeit zu gehen für Sie schon gekommen ist, und Ihr Glaube war immer sehr stark.«
    Er schwieg einen Augenblick. »Ich... weiß nicht, ob meine Anwesenheit Ihnen irgendwie helfen kann, den Weg zurückzufinden.« Wieder schwieg er eine Weile, dann sprach er weiter: »Aber... ich bin hier.«
    Sie reagierte nicht. Es gab nichts mehr, was er sagen konnte. Und doch blieb er, betrachtete ihr Gesicht, gestattete sich zum ersten Mal, sich der reinigenden Kraft des Kummers hinzugeben. Er hielt Scullys Hand und wartete. Es war ein Moment, der so alt war wie die Menschheit selbst. Es war die Bereitschaft, das Unausweichliche zu akzeptieren. Die Totenwache.
     
    Er ließ ihre Hand los und lehnte sich zurück. Der schwarze Minutenzeiger der runden Uhr über Scullys Bett sprang einen Schritt weiter.
     
    20:17 Uhr.
     
    Mulder wartete.

3 Fox Mulders Apartment Washington D.C.
    Mulder zögerte kurz vor seiner Wohnungstür und lauschte, konnte aber nichts hören. Die Automatik hielt er in der rechten Hand, dicht an seinen Oberschenkel gedrückt. Nach einer Weile schob er den Schlüssel so leise wie möglich ins Schloß und drehte ihn herum. Die Tür öffnete sich einen Spalt breit, und noch immer sah und hörte er nichts.
    Er drückte die Tür vollends auf und trat ein. Das Apartment lag in tiefer Dunkelheit. Es war die finsterste Stunde der Nacht. Auch ohne sich umzusehen, wußte er, daß die Wohnung leer war. Mulder schob seine Pistole in das Holster zurück und durchquerte den kleinen Flur zwischen der Eingangstür und dem Wohnzimmer. Dann blieb er stehen und betrachtete wie gelähmt die Verwüstungen, die sich ihm trotz des Halbdunkels offenbarten.
    Die Einbrecher hatten die gesamte Wohnung auf den Kopf gestellt. Und sie waren wieder verschwunden.
    Mulder lehnte sich mit dem Rücken gegen das dunkle Holz des Türrahmens und legte den Kopf in den Nacken. Seine Knie gaben langsam nach. Er rutschte am Türrahmen nach unten, bis er auf den Fersen kauerte, ließ den Kopf sinken, hob die Hände und starrte sie hilflos an.
    Er weinte.

4 Northeast Georgetown Medical Center Washington D.C. Intensivstation
    Es war ein schöner Traum. Scully lag unter einer strahlenden Sonne auf einer Waldlichtung im Gras. Goldenes Licht fiel durch die Zweige alter Bäume und ließ die Gipfel ferner Berge leuchten. Vögel zwitscherten leise, Grillen zirpten fröhlich vor sich hin. Dunkelgrünes Laub raschelte in einer sanften Brise, die den Geruch des Meeres mit sich trug, aber das Meer reichte nicht bis an diesen Ort. Sein langsames unablässiges Rauschen war Teil eines anderen Traums.
    Auf einmal begann alles um sie herum zu schimmern, als hebe sich ein Vorhang. Dinge, die nicht in den Traum gehörten, nahmen langsam Gestalt an. Das Ende eines Bettes mit zwei vertraut aussehenden Füßen, ein Stuhl... Vorhänge... ein Raum.
    Die Vision verblaßte endgültig, als Scully die Augen öffnete und sich benommen und verwundert in ihrer neuen Umgebung umblickte.
     
    Sie war Ärztin und begriff sofort, wo sie sich befand, obwohl sie keine Ahnung hatte, wie sie hierhergekommen war. Sie konnte sich fast an nichts mehr erinnern,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher