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Aibon-Teufel

Aibon-Teufel

Titel: Aibon-Teufel
Autoren: Jason Dark
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im Haus, dass sich draußen etwas verändert hatte. Durch das kleine Seitenfenster drang der Widerschein des Feuers, als würden dort zahlreiche Geister vor der Scheibe hin- und herhuschen.
    Ich öffnete die Haustür so weit, dass ich hinaus ins Freie treten konnte, und blieb auf der Schwelle stehen, denn die Szene vor mir hatte sich verändert, als gehörte sie nicht mehr in die Wirklichkeit, sondern in einen Film...
    Die Fackelträger waren gekommen!
    Sie hatten sich verhalten, als wären sie bestimmten Regeln gefolgt. Sie standen links und rechts von mir auf der Straße. Die Entfernung zwischen ihnen betrug ungefähr drei Meter. So konnten sie sich in die Gesichter schauen.
    In Gesichter, die wie aus Stein gehauen wirkten. Ich erkannte die Entschlossenheit in ihren Augen, die sie endlich aus den Gemächern ihrer Angst vertrieben hatte. Vielleicht hatte es unseres Besuchs bedurft, um dies zu bewirken. Jedenfalls wollten sie nicht mehr unter dem Terror des Aibon-Teufels leiden, und sie taten das, was sie konnten.
    Ich stand eine Weile bewegungslos vor der Haustür. Dieses Bild musste ich mir einfach einprägen. Es war die Erhebung des Menschen über eine dämonische Macht, und es tat mir gut, so etwas zu sehen. So düster es auch war, ich sah es zugleich als Hoffnung auf eine neue Zukunft an.
    Das Sterben eines Menschen konnte der Mensch nicht aufhalten, aber er konnte einem Toten die Würde bewahren, denn das gehörte auch zur Gemeinschaft.
    Ich räusperte mich und gab mir zugleich einen innerlichen Ruck. Carlotta ließ sich nicht blicken, was gut war, aber sie gab mir einen geflüsterten Gruß mit auf den Weg.
    »Du wirst es schon schaffen, Geisterjäger!«
    Ich lächelte.
    Dann schritt ich los.
    Es war schon komisch. In diesen Momenten erlebte ich das Gewicht des Toten nicht mehr so stark wie noch im Haus. Ich schritt beinahe leichtfüßig über die unebenen Steine der Straße hinweg und geriet immer näher an den Schein der Fackeln heran.
    An das unruhige Zucken der Flammen und an ihr leichtes Blenden hatte ich mich sehr bald gewöhnt. Die sechs Männer – je drei auf einer Seite – bewegten sich nicht. Ich hörte sie nicht mal atmen, nur das leise Fauchen des Fackelfeuers war zu hören.
    Es war kein weiter Weg bis zur anderen Straßenseite, doch bis dorthin wollte ich nicht. Mein Ziel war die Mitte der Straße.
    Dort blieb ich stehen.
    Wieder wurde kein Wort gesprochen. Sechs Augenpaare waren auf mich gerichtet. Jeder wartete darauf, das ich etwas Bestimmtes tat, und ich enttäuschte die Zuschauer nicht.
    Mit dem Toten auf den Armen bückte ich mich. Ich wollte nicht, dass er mir aus dem Griff rutschte, und legte ihn behutsam auf den Erdboden, als würde er noch leben.
    Danach trat ich zurück. Ich wartete, ob sich der Aibon-Teufel zeigte, und ich wartete ebenso wie die sechs Männer, die weiterhin mit ihren Fackeln eine schaurige Kulisse bildeten.
    Die Leiche wurde vom Flackerlicht der Fackeln erfasst. Ich hatte sie bewusst mit dem Gesicht nach unten gelegt, denn niemand sollte sehen, was mit dem Mann geschehen war.
    Jetzt brauchte der Aibon-Teufel nur noch zu kommen und sich das Opfer zu holen.
    Vielleicht lag es auch an mir, dass er sich nicht blicken ließ. Deshalb ging ich wieder zurück und blieb in der Nähe der Haustür stehen. Auch die Männer mit den Fackeln rührten sich nicht von der Stelle. Ich konnte mir vorstellen, wie sehr sie unter ihrer Angst litten, aber sie hielten aus.
    Wann kam er?
    Es gab eine Person, die einen besseren Überblick hatte als ich, denn sie lag auf dem Dach des Hauses. Und wieder hörte ich Carlotta’s geflüsterte Botschaft, die nur für mich bestimmt war.
    »Du musst dir keine Sorgen machen, John. Er kommt. Er ist da, ich sehe ihn.«
    »Wo?«, fragte ich so leise, dass nur Carlotta mich hören konnte.
    »Auf der anderen Straßenseite, John...«
    ***
    Und genau das war der Fall. In den folgenden Sekunden zeigte sich noch keine Veränderung, dann jedoch schälte sich ein Schatten aus der Dunkelheit, und dieser Schatten bewegte sich auf die Mitte der Straße zu.
    Ein Mensch, ein Tier oder beides?
    Keiner von uns konnte darauf eine Antwort geben.
    Es war der Aibon-Teufel. Das haarige, pelzige Etwas, das man als eine Mischung aus Mensch und Monster betrachten konnte. Vielleicht ein Ghoul aus Aibon. Zumindest sah ich ihn als einen solchen an.
    Ich sah, dass er seine Gier nicht mehr unter Kontrolle hatte.
    Wie ein Geschenk war ihm der Tote präsentiert worden, und er würde es
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