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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid
Autoren: Sobo Swobodnik
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hieß das Werk. Expressionismus im Original: sauteuer. Die mehr oder weniger legale Hinterlassenschaft von Ploteks Vater. Also eher weniger legal, soll heißen: gestohlen. Vom Vater. Ohne dass es irgendjemand gewusst hatte. Außer Vinzi und Plotek. Beste Voraussetzungen für ein gutes Geschäft, davon war Vinzi überzeugt. Plotek auch ein bisschen. Sie hatten den Plan gefasst, dass Vinzi Marcella heimlich verkaufen sollte, nachdem die Zeit ein paar Wunden geheilt hatte und Gras über die Sache gewachsen war. Und dann würden sie sich mit dem Erlös einen lang ersehnten Traum von Vinzi erfüllen. Nämlich mit einem Hurtigruten-Postschiff um Norwegen herum bis zum Nordkap fahren.
    »Fahren wir?«, fragte Vinzi.
    »Fahren wir!«, sagte Plotek.
    »Um halb elf morgen früh vom Hauptbahnhof im Zug nach Berlin«, sagte Vinzi und strahlte dabei. »Von da dann im Nachtzug nach Malmö. Dann weiter nach Göteborg und Oslo. Von Oslo per Bus nach Bergen, wo das Hurtigruten-Schiff auf uns wartet.«
    »Na, da habt ihr ja noch ein bisschen Zeit«, mischte sich
    Susi ein. Sie stellte zwei Tequila und zwei Weißbiere auf den Tresen.
    »Prost.«
    »Prost.«
    Das Wiedersehen wurde ausgiebig und gebührend gefeiert. Was zur Folge hatte, dass Plotek und Vinzi immer betrunkener wurden und Susi ihnen immer missmutiger dabei zusah. Während im Fernseher über der Tür eine Sondersendung die nächste jagte.
    »Vermutlich rührt es von der Kanalisation her«, machte sich einer der selbst ernannten Experten, den vorher keine Sau gekannt hatte, im Fernsehen wichtig und meinte die Ursache für den Theatereinsturz. »Es ist zu vermuten, dass es in der Kanalisation Bewegungen gegeben hat, die eine Kettenreaktion auszulösen imstande waren und dann das Gebäude, von unten her sozusagen, langsam, womöglich über Wochen hinweg, zum Einsturz brachten.«
    Vinzi tippte sich an den Kopf. »Wenn ihnen gar nichts mehr einfällt, dann ist eben Scheiße schuld.«
    Während Susi und Vinzi über Wahrscheinlichkeit und Vorsehung diskutierten, ging Plotek zwischenzeitlich nach Hause. Er stopfte ein paar Klamotten und das Nötigste für so eine Reise in seine Sporttasche, auf der immer noch Tip &Tap als Aufdruck zu erkennen waren, die Maskottchen der Fußballweltmeisterschaft von 1974. Anschließend kehrte er ins Froh und Munter zurück und setzte sich wieder neben Vinzi an den Tresen.
    »Prost!«
    »Prost!«
    Bis zum Morgengrauen, saßen sie dort und tranken. Irgendwann hatte Susi die Schnauze voll. Sie wollte den Laden schließen und nach Hause ins Bett. Aber denkste. Vinzi schob ihr drei Fuffziger zu und sagte: »Privatfeier!«
    Plotek schaute sich um. Die Feier schien jetzt tatsächlich ganz privat zu sein. Soll heißen: Das Froh und Munter war bis auf die drei vollkommen leer. Kein Gast nirgends. Auch die Stühle waren schon hochgestellt. Das Licht zurückgedimmt. Susi war normalerweise nicht bestechlich, aber jetzt steckte sie die Scheine ein und legte den Schlüssel auf den Tresen. Sie löschte das Licht in der Gaststätte, ließ nur mehr eine Lampe über dem Tresen brennen und sagte: »Wenn ihr voll seid, schließt ab und schmeißt den Schlüssel in den Briefkasten. Gute Nacht!«
    »Nacht!«
    An der Tür blieb sie noch einmal stehen und drehte sich zu Plotek um. »Ach so, Plotek, schreib mir ’ne Karte, klar?«
    »Klar.«
    Sie ließ die beiden wie zwei schattige Felsen in karger Landschaft im schummrigen Licht zurück. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, fingen die beiden an, die Vergangenheit Revue passieren zu lassen. Dabei gelangten sie immer weiter zurück, so dass sie am Ende in der gemeinsamen Jugend feststeckten. Was Plotek eigentlich gar nicht so recht war. Plotek war kein Mann der Erinnerungen. Kein Mann für die Vergangenheit. Plotek hatte sich ganz und gar der Jetztzeit verschrieben. Lebte im Hier und Heute. Oder besser: trank im Jetzt und Augenblick. »Prost!«
    »Prost!«
    Auch die Zukunft war für Plotek irrelevant. Das sagte sich jetzt so einfach. Stimmte aber wirklich. Plotek scherte sich nicht um das Morgen. Manchmal auch nicht ums Heute. Und ab und zu auch nicht um sich selbst. Ganz anders dagegen Vinzi. Der war jetzt nicht mehr zu bremsen. Er spielte mittlerweile auf dem Barhocker sitzend und mit seinen kleinen Stummelbeinen wackelnd so manch kuriose Dorfanekdote nach.
    Irgendwann am Morgen, als vereinzelte Strahlen der aufgehenden Sonne vorwitzig zu den Fenstern hereinblinzelten, mussten Plotek und Vinzi dann, nebeneinander mit
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