Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom
Autoren: Rolf D. Sabel
Vom Netzwerk:
Zeitgefühl verloren, aber die nachtdunkle Schwärze vor seiner Augenbinde ließ nur den Schluss zu, dass es mitten in der Nacht sein musste. Ein frischer, belebender Wind zog über sein Gesicht und brachte etwas von seinen Lebensgeistern zurück.
    »Wohin bringt ihr mich? Wisst ihr nicht, dass ihr euch schwerster Strafe aussetzt, wenn ihr einen kaiserlichen Tribun entführt?«
    Ein derber Schlag in den Nacken brachte ihn zum Schweigen.
    »Halt’s Maul, kaiserlicher Tribun. Freu dich, dass du lebst. Wer weiß, ob du das in ein paar Stunden noch sagen kannst.« Den Worten folgte ein krächzendes Lachen und ein weiterer Schlag, diesmal in die Seite.
    Plötzlich wurde er an beiden Armen gepackt, ein weiterer Mann griff nach seinen Beinen. Valerius stemmte sich dagegen, ohne etwas ausrichten zu können. Mit einem schmerzhaften Krachen landete er auf der Ladefläche eines Karrens. Unmittelbar danachpackte ihn ein heftiger Würgereiz, denn die Decken, die man über ihn geworfen hatte, stanken zum Göttererbarmen.
    Sofort setzte sich der Karren in Bewegung. Dem Tempo nach mussten ihn zwei Ochsen ziehen. Rumpelnd und knarrend holperte er über den harten Boden. Sie konnten sich hier auf keiner Hauptstraße befinden, denn der Boden war nicht gepflastert. Valerius konnte nicht abschätzen, wie lange die Fahrt gedauert hatte, als plötzlich ein scharfes »Halt!« ertönte. Abrupt kam der Karren zum Stehen. Wie aus weiter Ferne drang die Stimme an das Ohr des Tribuns.
    »Was habt ihr geladen, und wohin wollt ihr?«
    »Bauschutt«, erwiderte eine Stimme gleichmütig. »Wir bringen ihn ins Lindenthal, wie immer.«
    »Wessen Baustelle?«, wollte die befehlsgewohnte Stimme wissen, die offenbar einem Soldaten gehörte.
    Kurze Pause. Dann sagte die bekannte Stimme, die Valerius nicht einordnen konnte:
    »Baustelle des ... äh ... Quirinius, hinter den Thermen.«
    »Quirinius? Kenn ich nicht! Wer soll das sein?«
    »Der neue Thermenpächter, du weißt schon. Er hat einiges umgebaut, und jetzt will er den Dreck raus haben.«
    »Ach, die Thermen sind neu verpachtet? Das ist was anderes. Öffnet das Tor!«
    Valerius hätte verzweifeln können. Er hatte doch ausdrücklich befohlen, dass die Tore verschlossen blieben und niemand, wirklich niemand die Stadt verlassen durfte! Wenn man ihn erst aus der Stadt geschafft hatte ...
    Er nahm alle Kraft zusammen, die Beine waren ja nicht gefesselt, dann bäumte er sich auf und trat mit aller Macht gegen den seitlichen Holzaufbau des Karrens. Ein greller Blitz durchfuhr ihn, und der Schmerz lähmte ihn für einen Augenblick völlig. Gleichzeitig verkündete ein dumpfes splitterndes Geräusch, dass die morsche Wand des Karrens solch brachialer Gewaltanwendung nicht gewachsen war.
    »Halt! Consistite – Stehen bleiben! Ad arma – Alarm! Alle Männer heraus!«
    Sein Kraftaufwand hatte offenbar den gewünschten Erfolg erzielt.
    Aufgeregtes Stimmengewirr, polternde Schritte genagelter Soldatensandalen, das liebliche Geräusch von Schwertern, die hastig ihre Hülle verließen, die keuchenden Geräusche ringender Männer, ein dumpfer Schmerzenslaut.
    »Haltet den Mann da fest, lasst ihn nicht entkommen!«
    Dann wurde endlich mit einem Ruck die stinkende Decke entfernt, und Valerius blickte in das überraschte Gesicht eines Veteranen, der als Wache am nördlichen Stadttor eingesetzt war.
    »Tribun? Du?«

XXIX.
Tödliche Vollmacht
    Am nächsten Morgen, früh zur zweiten Stunde, platzte das kleine Wachbüro aus allen Nähten. Marcus Valerius Aviola saß an seinem kleinen Schreibtisch. Um ihn herum hatten sich die Männer seiner Wache gruppiert und bildeten einen undurchdringlichen Kreis um die drei Gestalten, die entmutigt und gefesselt auf dem Boden hockten. Der kahlköpfige Castix starrte ihn hasserfüllt an, daneben saß Solidax, der tückische Schuster. Das Trio wurde komplettiert von einem Mann, den Valerius nicht kannte. Auf Befragen hatte er seinen Namen mit Avelix angegeben. Er habe mit all diesen Machenschaften nichts zu tun und sei nur zufällig in die Sache geraten. In der Ecke standen die beiden zerlumpten Gestalten, die versucht hatten, Titus zu entführen, und glotzten mit blöden Augen auf die Szene. Nach wie vor war ihnen kein Wort zu entlocken.
    »Nun rede schon, Castix«, herrschte Valerius den kahlköpfigen Straßenräuber plötzlich an, »dein Schweigen nutzt dir nichts mehr. Die Galeeren warten schon auf dich, aber an mir läge es, dein Schicksal zu erleichtern.«
    »Fahr zum Hades,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher