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Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika

Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika

Titel: Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
Autoren: Peter Haas
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runzelige Alte mit den Wildschweinhauern aus Papua-Neuguinea auf der Mattscheibe griente und die Frage aus dem Off ertönte: „Das wäre doch ein super ...“
     
    Daves wahren Wert erkannten wir erst, als wir an jenem Sonntagmorgen im Eingangsbereich des Carlton Center im Herzen der Innenstadt als einzige Weiße zwischen lauter abgerissenen Wachleuten, Reinigungskräften und auf-Gott-weiß-was-wartende Taugenichtsen auf einen der Aufzüge zum „Top of Africa“, der Besucherplattform im fünfzigsten Stock, warteten. Dave kannte jeden von ihnen. Sogar beim Namen. Und wurde noch vom heruntergekommensten Kaugummiverkäufer per ritualisierten Handschlag begrüßt. Ab diesem Zeitpunkt wussten wir, in Daves Begleitung würde uns niemand etwas zuleide tun.
    Wir dachten noch lange an diesen Tag durch das abseitige Johannesburg zurück. An die Gangstertypen auf dem Parkplatz in Soweto, denen Dave verstohlen ein paar Scheine zugesteckt hatte. Als ihren Anteil am Verdienst ihres „Brothers“? Oder dass sie uns in Ruhe ließen und nicht der paar Habseligkeiten beraubten, die ich in meinem Tagesrucksack mit mir schleppte? Oder anders gefragt: Für wie viele Rationen „Tik“, wie das hier favorisierte Amphetamin in der Szene kurz genannt wurde, hätte der Erlös meiner Spiegelreflexkamera gereicht?
    Keinen Platz im Elysion finden werden all die zahnlückigen Trunkenbolde, die wir bei der Einkehr in Daves Stammkneipe – einem traditionellen Shebeen in einem der dunkelsten Viertel Sowetos – kennenlernten. Wir hatten zu Beginn unserer Tour eine Abmachung getroffen: Dave durfte uns überall hinbringen, wo er wollte. Einzige Voraussetzung: Es sollten so wenig Touristen wie möglich zu sehen sein. Authentizität anstelle von degenerierten Showelementen. Da ich keinen Alkohol trank und Michael für selbst gebrautes Bier zu jung war, fiel es uns anfangs nicht leicht, das Eis zwischen uns und der zur Mittagszeit bereits kräftig angesäuselten Stammmannschaft zu brechen. Zwei Freirunden lockerten die Stimmung jedoch insoweit auf, um bei einer deftigen Brotzeit mit den Problemen der Gäste überschüttet zu werden. Wir bekamen von Jenny, einer Freundin der Wirtin – deren körperliche Präsenz, wie die beinahe aller anwesenden Frauen, so ausgeprägt war, dass sie problemlos Daves Schwester hätte sein können – den lokalen Klassiker serviert: Angebratene Wurst, die in Form und Geschmack einer Braunschweiger nicht unähnlich erschien, dazu wabbelige Pommes frites und getoastete Hamburgerbrötchen, ertränkt in einem Meer aus Tomatenketchup. Um sich zu ertränken, hätten auch die Schilderungen der Lebenswirklichkeiten der meisten Anwesenden gereicht. Es waren die üblichen Verdächtigen: Arbeitslosigkeit, Erwerbslosigkeit, Drogensucht, AIDS, Lebenspartner inhaftiert oder auf Nimmerwiedersehen verschwunden – ach ja, last but not least natürlich der Alkoholismus. Die Verabschiedung war so herzlich wie der Aufenthalt, für die einen eine unvergessliche Erfahrung, für die anderen ein paar Promille mehr auf dem Pelz.
    Derlei Ausflüge an die Grenzen der Halbwelt forderten meinen ganzen Einsatz. Zum einen wollte ich sowohl Michael als auch mir selbst etwas bieten, quasi kontrollierte – besser: kontrollierbare – kleine Abenteuer. Zum anderen durfte ich weder meine eigenen Fähigkeiten, solche Situationen richtig einzuschätzen, noch Michaels dem Alter entsprechendes Potenzial überschätzen, angemessen zu agieren und nervenaufreibende Geschehnisse auch verarbeiten zu können. Unkalkulierbare Risiken musste ich, nicht zuletzt um eine unnötige Gefährdung Michaels, sondern auch aus Gründen der Fairness gegenüber Lukhgai, die mir praktisch grenzenlos vertraute, unbedingt vermeiden. Deshalb fragte ich mich in Momenten wie diesen mehr als einmal: Gehe ich zu weit?
    Und ich beobachtete Michael sehr genau. Versuchte, seine Vibrations zu spüren, zu absorbieren und zu analysieren. Mich in ihn hineinzuversetzen, zu erschnuppern, wie es ihm ging. Es waren immerhin seine ersten Tage in Afrika, sein erstes Mal in einem afrikanischen Slum, der sich in so vielem von asiatischen Elendsvierteln unterschied. Seine - neben mir in dem Sehbeen auf einem der Plastikhocker sitzend - aufgeregt zugeflüsterte Einschätzung: „Papa, siehst du, wie besoffen die alle sind? Ich verstehe kaum noch, was sie sagen. Willst du hier noch lange bleiben?“, amüsierte und alarmierte mich zugleich. Michael hatte recht, alle waren donnervoll. Solange sie mit
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