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Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika

Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika

Titel: Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
Autoren: Peter Haas
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Prostituierten, Zuhältern und nahezu jeder anderen Mensch gewordenen Spielart von Kriminalität ihren Lebensunterhalt nachzukommen. Ein jeder war so gut er konnte bewaffnet, Skrupel geschäftsschädigend, bisweilen völlig unbekannt. Woher auch? Zahlreiche der Gangster waren Bürgerkriegsflüchtlinge und hatten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte auf den Schlachtfeldern des Kongos oder Ruandas hinter sich. Was zählte da ein Menschenleben? Erst recht das Leben eines – mit Hundert prozentiger Sicherheit unbewaffneten – Touristen?
    Das war nicht immer so. Bis zum Ende der Apartheid Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts unterschied sich Johannesburgs Innenstadt in puncto Lifestyle und Sicherheit nur wenig von europäischen Städten wie Berlin oder London. Außer, dass es auf den Straßen auffallend weniger Schwarze gab – denn ihnen verboten die strengen Rassegesetze den Aufenthalt in Downtown. Nicht zuletzt einer der Gründe, warum es nach dem Ende der Diskriminierung die verarmte schwarze Bevölkerung aus ihren Ghettos, vor allem den Townships Soweto und Alexandra, vermehrt in die Innenstadt zog. Aufgrund der sich immer stärker verschärfenden Sicherheitslage, verließen die meisten – weißen – Bewohner sowie eine große Anzahl von Firmen das Stadtzentrum in Richtung der nördlichen Vororte. Übrig blieben leer stehende Hochhäuser und Fabrikgebäude, die aufgrund der Wohnraumknappheit schnell von ehemaligen Township-Bewohnern und wohnsitzlosen Einwanderern besetzt wurden.
    Das wohl bekannteste dieser besetzten Häuser und gleichzeitig fester Orientierungspunkt in der Skyline Johannesburgs war der mehr als 170 Meter hohe Ponte City Tower im Stadtteil Hillbrow. Mit seinen unzähligen eingeschlagenen Fensterscheiben und den von Planen mehr schlecht als recht verschlossenen schwarzen Fensterhöhlen ragte er wie ein Menetekel in den Himmel. Als Michael und ich auf dem Weg nach Downtown daran vorbei fuhren, hinterließen der rußgeschwärzte Eingangsbereich und die davor herumlungernden Gestalten bei uns ein nicht zu unterdrückendes Gefühl der Beklemmung.
     

    Bild 1: Der Ponte City Tower in Hillbrow
     
    Wir saßen auf der Rücksitzbank von Daves BMW und kamen aus dem Staunen nicht heraus. Und genau das war es, was wir wollten. Anstelle der üblichen geführten Tour im klimatisierten Reisebus mit keckem Tour-Guide, vorbei am Mandela Museum und dem Hector Pieterson Memorial bis hin zum Apartheid Museum, wollten wir Johannesburg, sagen wir einfach, individueller kennenlernen. Klara hatte diese Herausforderung dankend angenommen – und umgehend ihren alten Kumpel Dave als unseren Führer organisiert. Entgegen aller anfänglichen Bedenken hätten wir keinen besseren Begleiter an unserer Seite haben können. Am bedrohlichsten – aber gleichzeitig auch seine stärkste Waffe – schien zweifelsohne sein Respekt einflößendes Aussehen. Seine mit zahlreichen tiefen Narben versehene Benutzeroberfläche war an beiden Armen flächendeckend mit abschreckenden Gang-Tattoos verschönert und brachte sein Kampfgewicht von drei Zentnern erst richtig zur Geltung.
    Einen solchen Guide hatte ich meinem Sohn bisher noch nie vorstellen dürfen. Michael war ganz aus dem Häuschen. Anfangs grinste er nur still in sich hinein und schüttelte hin und wieder den Kopf. Als ich aber ahnte, dass er von unserem neuen Freund mehr als beeindruckt war, sprach ich ihn – bereits selbst vor Begeisterung innerlich Purzelbäume schlagend – darauf an: „Und, Michael, hältst du unseren Personenschutz heute für ausreichend?“
    „Der Typ ist die Wucht! Wenn ich Mama davon erzähle, glaubt sie uns kein Wort. Und eine Pistole hat er auch dabei. Wir müssen unbedingt ein paar gute Fotos von ihm machen, sonst denken alle, wir übertreiben“, sprudelte es aus Michael heraus. Ja, die Mama. Was würde wohl die Mama sagen, ging es mir durch den Kopf, wenn sie wüsste, wo und vor allem mit wem wir uns im Moment herumtrieben?
    Nichtsdestotrotz war unsere Begegnung mit Dave die Geburtsstunde eines nicht enden wollenden Running Gags: Sobald wir in einer ganz alltäglichen Situation auf eine Person trafen, die besonders skurril aussah, etwa jemand mit einem Gesicht voller Ritualnarben oder mit dem Charisma und der Aura eines Mafia-Paten, stieß der eine von uns den anderen an und fragte: „Siehst du den da? Das wäre doch ein cooler Guide für uns, oder?“ Der Lacher war jedes Mal todsicher – selbst noch zu Hause vor dem Fernseher, wenn der
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