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African Queen

African Queen

Titel: African Queen
Autoren: Helge Timmerberg
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Jeder kennt ihn hier. Aber er ist nicht mehr in der Pension ‹Suisse›. Er hat jetzt eigene Hotels. Er ist ein großer Mann geworden. Was willst du von ihm?»
    «Er ist mein Freund», antworte ich.
    «Dann rufe ich ihn gleich an», sagt Ali.
    Ich glaube es nicht. Ich habe Ibrahim zum ersten Mal vor dreißig Jahren und zum zweiten Mal vor zwanzig Jahren gesehen und seitdem nicht mehr, und ich habe auch nie wieder was von ihm gehört und er nicht von mir, ich weiß nicht mal seinen Nachnamen, und der Erste, den ich in Kairo nach ihm frage, hat Ibrahims Nummer im Handy gespeichert. Wie geht das? Ist das Zufall, ist das Schicksal, oder ist dieser Ali ein Ali Baba, der mir jedes Märchen erzählt, das ich hören will?
    «Willst du selbst mit ihm telefonieren?», fragt Ali.
    «Nein, ich höre schlecht. Sprich du mit ihm.»
    «Was soll ich ihm sagen?»
    «Sag ihm meinen Namen, Tim, und sag ihm, er hat mir mal einen Skarabäus geschenkt.»
    Ali ruft an, Ali spricht mit jemandem, Ali hört zu, dann wendet er sich zu mir. «Ibrahim erinnert sich an dich. Er will wissen, wie es mit dem Skarabäus weitergegangen ist. Er kann in einer Stunde vor der Pension ‹Suisse› sein. Ist das okay für dich?»
    Manche Freundschaften halten ewig, obwohl man sich im Leben nur zweimal gesehen hat. Das erste Mal, 1981, arbeitete er an der Rezeption der Pension «Suisse», und er war, wie ich, ein drogensüchtiger Mann um die dreißig, bei ihm kam noch die Spielsucht dazu. Er war in etwa so groß wie ich, aber er wirkte größer, weil sein Körper dreimal so viel Raum verdrängte wie meiner. Ein Riesenherz schlug unter seiner Dschellaba, und er war ständig stoned. End of the story. Den Skarabäus schenkte er mir erst zehn Jahre später, als ich zum zweiten Mal in der Pension «Suisse» abstieg und Ibrahim noch immer hinter der Rezeption saß. Allerdings saß er da ein bisschen heruntergekommener als zuvor, weil er seinen Drogenkonsum inzwischen von Haschisch auf Opium umgestellt hatte, seiner Spielsucht und seinem großen Herzen dagegen war er treu geblieben. Er fand es nicht gut, dass ich nach Tel Aviv weiterreisen wollte, weil Saddam Hussein die Stadt in jenen Tagen mit Scud-Raketen beschoss, aber genau deshalb wollte ich ja hin. Nachdem er mir das eine Nacht und einen Tag vergeblich auszureden versucht hatte, kam er mit dem Skarabäus an. In Käferoriginalgröße und aus uraltem Stein. Ibrahim sagte, er wisse mit Sicherheit, dass der Skarabäus Magie habe, aber er wisse nicht, wofür. Ob er Leben oder Tod bringe.
    Um 16 Uhr sind wir vor dem Haus, in dessen sechstem Stock die Pension «Suisse» ist. Ich will hochgehen, aber Ali meint, das sei unnötig. Ibrahim käme vorgefahren. Wir müssen nicht einmal eine Zigarettenlänge warten, und ein sehr neuer, sehr großer Wagen hält blinkend vor uns an, und mein ewiger ägyptischer Freund steigt aus. Er ist wirklich ein Berg von einem Mann, und er sieht blendend aus. Wir fallen uns in die Arme. «Hat dir der Skarabäus Glück gebracht?», flüstert er mir ins Ohr.
    «Ja.»
    «Hamdulillah!»
    Das heißt Gott sei Dank. Ibrahim parkt den Wagen in einer Seitenstraße und führt uns zu einem Hotel namens «Egyptian Nights». Es gehört ihm. Hier trinken wir den ersten Tee, den zweiten nehmen wir in dem Hotel «Arabian Nights» zu uns, das ihm auch gehört. Alles in allem besitzt Ibrahim vier Hotels in Kairo, eine Oase im Süden und ein Haus in Frankreich. Was ist passiert? Wie hat er das geschafft? Wie hat er es vom Junkie zum Big Boss gebracht? Ibrahim sagt, es sei ganz einfach gewesen. Nachdem ich damals nach Tel Aviv weitergeflogen sei, habe er das Spielen aufgegeben und das Heroin auch. Dann habe er sich Geld geliehen und zwei Stockwerke über der Pension «Suisse» ein eigenes kleines Hotel eröffnet, später ein zweites und ein drittes und so weiter und so fort. Und nun solle ich endlich erzählen, wie es mit dem Skarabäus weitergegangen sei.
    «Was soll ich sagen, Ibrahim? Ich habe Tel Aviv überlebt, also hat er mir nicht den Tod gebracht, nur eine gute Geschichte. Eine sehr gute sogar. Sie schrieb sich praktisch von selbst. Trotzdem glaubte ich damals nicht, dass es was mit dem Skarabäus zu tun hatte. Das glaubte ich erst ein paar Tage später, nachdem ich ihn verschenkt hatte.»
    «Du hast ihn verschenkt?»
    «An eine Hure.»
    «Warum hast du das getan?»
    «Ich mochte sie, und als sie fragte, warum ich ihr aus Ägypten nichts mitgebracht habe, fiel mir der Skarabäus ein. Ich hatte ihn
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