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African Queen

African Queen

Titel: African Queen
Autoren: Helge Timmerberg
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einem kleinen, kompakten, technisch tadellosen Peugeot über die Stadtautobahn in Richtung Zentrum an Gebäuden vorbei, von denen jedes einzelne ein mit den Mitteln der Architektur erzähltes Märchen ist, und alle zusammen sind ein befahrbares Bilderbuch von Tausendundeiner Nacht. Moscheen, Paläste, ehrwürdige Universitäten, Theater, Museen. Lisa ist berauscht, und ich sage ihr auch, warum. Kairo ist nicht schlappe hundert Jahre alt wie Nairobi und die meisten schwarzafrikanischen Städte, sondern fast zweitausend, und die Pyramiden drum herum sind dann noch mal älter als das Alte Testament.
    Weil auch die Straßen an einem Freitagmorgen so leer wie die Flughafenhallen sind, inhalieren wir den langen Atem der Geschichte ohne den Smog der Moderne und ohne auch nur einmal im Stau zu stehen. Selbst als wir das Zentrum erreichen, ist kaum Verkehr. Als ich zum ersten Mal nach Kairo kam, erschien mir die koloniale, mediterrane Großstadtarchitektur rund um den Tahrir-Platz recht heruntergekommen und so schmutzig wie jede Metropole der Dritten Welt, aber jetzt denke ich, das ist Europa. Das ist zu Haus. Hier hat sich viel getan. Und dann muss ich lächeln, weil sich hier natürlich überhaupt nichts getan hat. Aber ich bin dieses Mal nicht von Europa nach Kairo geflogen, sondern von Uganda. Da sieht, egal, wohin man kommt, alles gleich viel besser aus. Lisa erinnert es sogar an Paris, was im Übrigen auch der Name unseres Hotels ist. Es ist im vierten Stock, und natürlich ist der Fahrstuhl kaputt, aber wenn man mich fragt, ist das besser so, denn meiner Erinnerung nach bedeutet ein funktionierender Lift in Kairo nicht, dass er in Ordnung ist. In der Regel sind sie so alt wie die Häuser, das heißt, mit ihnen ist schon Lawrence von Arabien rauf- und runtergefahren, und seit Churchill wurden sie nicht mehr repariert.
    Das Hotel «Paris», wir würden sagen, die Pension, wurde dagegen erst vor wenigen Tagen eröffnet, es ist blitzsauber und angenehm möbliert. Der dicke Machmut empfängt uns. Er ist um die dreißig und so scheißfreundlich wie die meisten Ägypter, spricht aber gutes amerikanisches Englisch, denn wie wir bereits in den ersten Minuten unseres Willkommen-Smalltalks erfahren, ist Machmut erst vor zwei Monaten aus den USA zurückgekommen, wo er einige Jahre als Krankenpfleger gearbeitet hat. Das Foto seiner amerikanischen Frau sehen wir noch vor unserem Zimmer. Sofort verstehe ich diese Liebe. Seine Gattin ist noch dicker als er. In ihren Augen und in ihrem Bett wird selbst Machmut der Fette zu einem schlanken ägyptischen Liebesgott. Er hört nicht auf zu reden, die Kombination von arabischer Geschwätzigkeit und amerikanisierter Lebenseinstellung lässt das nicht zu. Jeder ist seines Glückes Schmied, und Machmut will einen guten Job machen. Informationen, Führungen, Kaffee, Schlaftabletten, was immer wir brauchen, was immer uns fehlt, wir sollen uns nicht scheuen, ihn zu fragen, deshalb fragt Lisa nach Wein und ich nach Haschisch, und Machmut kommt aus dem Takt. Endlich, das Zimmer. Es hat einen Balkon. Wir setzen uns in die Sonne, schauen auf die Straße und fragen uns, wie es sich anfühlt, nicht mehr in Afrika zu sein, obwohl es noch Afrika ist, und wir kommen beide zu dem Schluss, dass es sich prima anfühlt. Prima Klima, und das Licht ist eigentlich mediterran, außerdem besprechen wir, wie es weitergehen soll.
    Lisa ist zum ersten Mal in Ägypten, sie will sich Kindheitsträume erfüllen, ich war vor dreißig Jahren zum ersten Mal hier und will in ein paar alte Fußstapfen von mir treten, um zu schauen, ob sie noch passen. Die meisten sind sowieso dort, wo Lisas Träume hinzielen, also ist auch das kein Problem. Pyramiden, Mumien, Basare, und ich will darüber hinaus noch einen alten Freund und die wichtigste Moschee meines Lebens wiedersehen. Es klopft an der Tür, ich mache auf, und ein noch jüngerer Mann als Machmut steht vor mir, schlank und klein. Sein Englisch ist ohne US-Akzent.
    «Me, I’m Ali», sagt er.
    In Alis Augen mischen sich semikriminelle Energie und aufrichtige Dummheit, damit kann ich leben. Er bietet Touren an, große Programme, alle Sehenswürdigkeiten aus Kleopatras Zeiten an einem Tag für einen Sonderpreis, weil er uns mag, und ich sage: «Hör mal zu, Ali, fang mal mit was Kleinem an. Ich suche einen Freund. Er heißt Ibrahim. Er arbeitete vor dreißig Jahren in der Pension ‹Suisse›. Kennst du ihn?»
    «Sieht er aus wie ein Berg?»
    «Ja.»
    «Dann kenne ich ihn.
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