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African Queen

African Queen

Titel: African Queen
Autoren: Helge Timmerberg
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habe ich vergessen, aber sein ganzer Stolz ist ein Avocado-Gericht. Es fand Erwähnung in einem dicken Hochglanz-Gourmet-Bildband, der über seiner Theke steht, und er zeigt es jedem Gast, also auch mir. «In diesem Buch zu sein, ist so ’ne Art Nobelpreis für Gastronomen», sagt er und strahlt mich an. «Und was machen Sie?»
    «Ich bin Schriftsteller», antworte ich und strahle zurück.
    «Sind wir das nicht alle?»
    Die anderen Gäste: Missionare, Großwildjäger, Geheimdienstler, Buschflieger, Botschaftsmitglieder, UN-Leute und ein paar Touristen, von denen sich aber mindestens die Hälfte nicht als Touristen bezeichnen würde, sondern als Entwicklungshelfer. Medikamente verschenken, Geld verteilen, Brunnen bauen, dafür haben sie bezahlt. Pauschalreisen einschließlich der guten Tat sind zu einem recht blühenden Zweig der Tourismusindustrie geworden; es gibt aber immer noch Individual-Helfende wie den Kanadier, mit dem ich kurz an der Theke spreche. Er hat dreißigtausend Bibeln dabei.
    Wir warten hier auf Collin. Der Generalmanager einer Fünfsternelodge in Mosambik und Lisas zukünftiger Chef macht eine Einkaufstour rund um den Malawisee und ist heute in Lilongwe. Gleich werde ich auf das schottische Phantom treffen. Wie wird er auf mich reagieren? Und wie ich auf ihn? Und was wird er zu Lisa sagen? Zu ihrer Mail, die die Lösung für unsere Verlustängste gewesen ist? Sie hatte sie aus Wien geschickt und ihm darin mitgeteilt, dass sie nicht für ein Jahr in der Lodge als Frontdoormanagerin arbeiten werde, sondern nur für drei Monate, und außerdem ihren neuen Freund mitbringe. Collin brauchte eine Woche, um «Das geht okay» zurückzumailen, aber wie okay geht das wirklich, wenn er Lisa gegenübersitzt? Und wie okay geht das für sie? Das sind unsere Fragen unter Don Brionis Deckenventilatoren und bei Don Brionis Wein. Who the fuck is Collin? Und wie wird er sein?
    Einige dieser Fragen klären sich auf der Stelle, als Collin kommt. Rote Haare, roter Bart, Sommersprossen und Nickelbrille in einem jungenhaften Gesicht. Lisa hat recht. Ein Pfadfinderlein ist kein Grund für mich, eifersüchtig zu sein. Und er ist nicht allein. Eine hübsche junge Frau namens Rose begleitet ihn, auch sie rothaarig und sommersprossig, und sie scheint ein bisschen verliebt in ihn zu sein. Und er in sie? Man wird sehen, auf alle Fälle ist das ideal. Zwei Paare, ein Busch, und niemand muss auf seine Frau aufpassen. Rose lebt als Volontärin in der Lodge. Sie arbeitet umsonst, ihr Lohn ist das Aufenthaltsrecht im Paradies. Sie sagt, sie sei vor drei Wochen gekommen und müsse sich noch immer fangen, denn die Lodge sei noch schöner als auf den Fotos. Magisch schön. Freut das Lisa? Oder schmerzt es sie? Ich sehe beides kurz in ihren Augen und hoffe, dass unterm Strich nicht Wut rauskommt, denn sie hat ihren Jahresvertrag im Paradies meinetwegen um neun Monate verkürzt. Wird ihr das Glas ein Viertel voll oder drei Viertel leer erscheinen, wenn wir angekommen sind? Collin sieht das entspannt. «Lisa macht in den drei Monaten all den Scheiß, auf den ich keine Lust habe», sagt er, und ich muss herzlich lachen. So reden keine Pfadfinder, nein, so nicht. Anschließend regelt er am Handy, wie es weitergeht. Er besorgt uns eine Kabine für die zwanzigstündige Schiffsfahrt über den Malawisee und eine Unterkunft auf der Insel Likoma sowie ein Speedboot der Lodge, das uns am nächsten Morgen von Likoma zur Küste von Mosambik bringen wird. Drei Anrufe, drei Ergebnisse, sofort, und das in Afrika. Ich revidiere meinen ersten Eindruck vom Generalmanager der Lodge. Und auch den von Rose. Sie trinken so viel wie wir, machen aber früher Schluss, denn sie wollen am nächsten Morgen mit dem Jeep weiterfahren. Die Tour werde noch ein paar Tage dauern, aber zu unserer Ankunft seien sie zurück. «Let’s walk with Johnnie», sagt Collin und bestellt eine Runde Whisky, bevor sie gehen.

    Die Reise beginnt immer erst am dritten Tag. Wir nehmen ein Taxi für die hundertfünfzig Kilometer von Lilongwe zum Malawisee. Endlich rollen die Räder, und ich schlafe sofort ein, nachdem wir aus der Stadt raus sind. Lisa weckt mich, ich weiß nicht, wann, und plötzlich ist da Afrika. Das Afrika der Träume, der Postkarten, der Buchcover und Filmplakate. Afrikanische Savanne, afrikanische Bäume, afrikanische Farben und, ach ja, afrikanische Weite. Man vergisst in den Städten, wie groß und unverbaut der Kontinent ist. Wo bin ich? Westlich von Mosambik,
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