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African Queen

African Queen

Titel: African Queen
Autoren: Helge Timmerberg
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Vielleicht hat ja auch niemand mehr Lust, darüber zu lesen. Super. Dann wäre das ja geklärt. Nur eines noch. Ich bin zwar nicht lieber das Opfer als der Täter. Aber als Täter stelle ich mich ungern dar. Auf Sansibar habe ich geträumt, dass sich der Spieß umdreht, und lange Zeit blieb es dabei. Ich war nicht mehr zu alt, sondern sie war zu jung, das heißt, ich bleibe ich und mache mein Ding, und entweder sie macht das mit oder nicht. Ich hatte keine Angst mehr, sie zu verlieren, was nicht heißt, dass es mir egal gewesen wäre oder ich es gar wünschte. Ich hatte nur einfach keine Angst mehr davor, was dazu führte, dass sie Angst bekam. Was wiederum dazu führte, dass ich mich noch weniger ängstigte. Ihre Angst befreite mich von meiner. Ihre Unfreiheit machte mich frei. Nicht richtig frei allerdings, denn jetzt begann sie an mir zu kleben wie ich zuvor an ihr. Jetzt begann ich wegzulaufen, und sie lief hinterher. Natürlich nicht wirklich, nur innerlich, es ist ein energetisches Spiel. Ob man sich öffnet oder nicht. Ob man anklopft oder abschließt. Ob man lächelt oder grinst. Lisa machte das ein paar Tage mit, dann flippte sie aus und holte die Beziehungsfrage wie eine Pistole raus. Hände hoch. Liebst du mich?
    Das war in den Usambara-Bergen, bei Toni, während unseres Heimaturlaubs, und ich brauchte zu lange, um zu antworten. Eine Frage wie diese gibt dir höchstens sieben Sekunden, jedes Schweigen darüber hinaus heißt nein oder zumindest: Ich überlege noch, was auch die falsche Antwort ist. Obwohl das gar nicht stimmen muss. Das Schweigen kann auch heißen: Moment mal, so geht das nicht. Du kannst die Liebe nicht zum Rapport bestellen. Sie lässt sich nicht erzwingen, nee, ich mach da jetzt nicht mit, und wenn du dich auf den Kopf stellst. Und schon sind sieben Sekunden vorbei. Und dann noch mal sieben, und wer dann noch die Kurve kriegt, hat es wirklich drauf. Und weil ich es nicht draufhatte, war es eine Nacht lang plötzlich aus. Eine Nacht lagen in unserem Bett die Scherben eines Traums. Das entsetzte mich nicht weniger als sie. Mein Magen drehte sich um. Und damit war ihre Frage eigentlich beantwortet. Natürlich leide ich wie ein Hund, wenn du dich abwendest und weggehst. So kehrte meine Angst vor einem Leben ohne Lisa zurück. So drehte sich der Spieß ein weiteres Mal um, aber ganz schaffte sie es nicht, es waren keine hundertachtzig Grad, sondern nur neunzig. Seine Spitze zeigte nach oben, und sie neigte sich, je nach Lage der Dinge, in den nächsten Tagen mal ein bisschen zu dem einen und mal ein bisschen dem anderen von uns, das heißt, das Gleichgewicht des Schreckens war wiederhergestellt.
    Dann kam die Serengeti, und sie war stark genug, um uns auf komplett andere Gedanken zu bringen, dasselbe gilt für die Malaria, bei der Lisa übrigens als Krankenschwester eine gute Figur machte, ja, sie hat sogar angeboten, mir die klassischen Patientenphantasien zu erfüllen und mich in Dessous zu pflegen, und die Tatsache, dass ich dieses Angebot nicht zu schätzen wusste, bedeutet nicht, dass ich sie schon wieder weniger zu lieben begann, sondern beweist lediglich, wie schlimm es gesundheitlich um mich stand. Schnee von gestern, das Fieber ist vorbei, was blieb und bleibt, sind die ganz normalen Prüfungen einer Reise zu zweit. Der ganz normale Wahnsinn, rund um die Uhr zusammen zu sein, die ganz normale Sehnsucht nach der Sehnsucht. Und die ganz normale Freude darüber, diese Prüfungen wegzustecken. Wir können stolz auf uns sein. Und sind es auch. Zwei Einzelgänger lernen, zu zweit zu reisen, und wenn ich jetzt noch lerne, wann es besser ist, hinter ihr statt neben ihr zu gehen, sind wir endlich ein gut funktionierendes, vagabundierendes Paar. Um ein Beispiel zu geben: Wenn Lisa schlechte Laune hat, ist es besser, hinter ihr zu sein. So fünf, sechs Meter. Diese Distanz verhindert, dass ein Wort das andere gibt. Wenn das nicht möglich ist, weil man, um ein anderes Beispiel zu nennen, zusammen auf der Rückbank eines Taxis sitzt, das seit gut zwei Stunden im Stau steht, empfiehlt sich das «Zwei-Menschen-zwei-Fenster»-Prinzip. Jeder schaut aus seinem, jeder recherchiert für sich die Folgen der Übermotorisierung einer Überpopulation. Kampala, die Hauptstadt von Uganda, fragt zu jeder Rushhour die Welt, wofür zum Teufel der Mensch Autos braucht. Damit es nicht mehr weitergeht? Schlimme Staus gibt es überall. In der Altstadt von Neu-Delhi, in den Straßenschluchten von New York, aber
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