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Aetherhertz

Aetherhertz

Titel: Aetherhertz
Autoren: Anja Bagus
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Umgebung.
    Nichts veränderte sich dort, nur die normalen Zyklen der Natur beeinflussten die Landschaft. Mit 16 Jahren veränderte sich Annabelles Welt aber rasant, innen und außen. Das Leben war schwierig geworden, und sie suchte daher immer wieder einen bestimmten Platz auf, an dem sie sich besonders wohl fühlte.
    Bei einem ihrer Streifzüge durch den Wald war sie hier vorbeigekommen und hatte ihn entdeckt. Nichts zeichnete den Ort als etwas Besonderes aus, und doch war Annabelle stehen geblieben und hatte sich umgesehen. Sie hatte die merkwürdigsten Empfindungen erlebt: Ihre Ohren hörten ein leises Summen, ihre Nase roch einen unbekannten Duft, und ihre Augen schienen in allen Pflanzen und Felsformationen Gesichter zu sehen.
    Sie befand sich an einem Hang, der mäßig steil war. Links von ihr war eine Felsformation. Annabelle musterte die moosbewachsenen Steine. Eine Quelle hatte hier ihren Ursprung und das Wasser bahnte sich murmelnd seinen Weg über den Waldboden. Vielleicht war es die Sonne oder einfach jugendliche Unbefangenheit, jedenfalls sah Annabelle den grünen Æther nicht, der dem Wasser entstieg. Aus keinem besonderen Grund hob sie einen faustgroßen runden Stein aus dem Bachbett auf, der ihr lose erschien. Sie musterte den Stein und entdeckte, dass er auf der Seite, die dem Fels zugewandt gewesen war, einen Riss hatte. Wie ein Ei, hatte sie gedacht und den Stein auf einen anderen geklopft. Er sprang auf und enthüllte sein Innenleben. Es war eine Geode. Sie hielt den Stein mit der linken Hand in die Sonnenstrahlen und betrachtete begeistert, wie die blauen Kristallspitzen das Licht brachen.
    Später am Abend lag sie in ihrem Bett und bewunderte die Geode im Kerzenschein. Sie wollte sie ihrem Vater zeigen, aber der war beschäftigt. Sie wusste, dass sie warten musste. Manchmal war ihr Vater einfach nicht ansprechbar. Ihre linke Hand juckte. Sie versuchte sich zu erinnern, ob sie damit an Brennnesseln gekommen war, oder sonst irgendetwas Giftiges angefasst hatte, aber es wollte ihr nichts einfallen.
    Sie hatte ihrem Vater die Geode in diesem Urlaub nicht gezeigt. Etwas anderes war geschehen, das den Urlaub unschön beendete. Annabelles Hand hatte noch ein paar Tage lang unangenehm gejuckt, es war manchmal wie tausend Ameisen gewesen, manchmal wie das Auftauen nach langer Kälte. Aber das war nicht so schlimm. Viel schlimmer war es, dass die Hand langsam grün wurde, und keine Seife die Farbe abwaschen konnte. Professor Rosenherz war nicht mit seiner Tochter in ein Krankenhaus gefahren, wie jeder andere besorgte Vater es getan hätte. Er hatte sich in sein Studierzimmer zurückgezogen, und ab und zu war er herausgestürmt, zu jeder Tages- und Nachtzeit, um die Hand noch einmal zu untersuchen, oder eine Salbe aufzutragen, oder etwas Unverständliches zu murmeln.
    Manchmal hatte er seine Tochter dann ganz fest in den Arm genommen, und gedrückt, bevor er wieder verschwand. Annabelle wollte dann weinen, nicht wegen ihrer Hand, sondern wegen ihres Vaters, weil sie ihm Sorgen machte.
    Sie waren nach Baden-Baden zurückgefahren, weil Professor Rosenherz dort eine größere Bibliothek hatte. Eine Zeit lang versuchte er noch verschiedene Dinge, aber dann hatte er wichtigen Besuch bekommen, war abgereist und wiedergekommen, hatte zu tun gehabt, und schließlich hatte Annabelle sich an das Tragen von Handschuhen gewöhnt.
    Manchmal hatte sie nachts unruhige Träume, in denen sie durch einen Wald lief und lief. Sie wachte dann auf und wollte weg aus der Stadt, die kühle Waldluft atmen, um sich herum nur Grün sehen ...
    Ihr Vater hatte ihr streng verboten, es jemandem zu erzählen. Im Laufe der Zeit war die Hand empfindlich für die unterschiedlichsten Eindrücke geworden, und Annabelle hatte sich oft gewünscht, den Handschuh ausziehen zu dürfen, um das zu erforschen, aber sie war vorsichtig. Ihr Vater verbot ihr nicht viel, und wenn er es tat, hatte er seine Gründe, also tat sie es nur sehr selten.
     
    Sie sah hoch in den Schwarzwald und wünschte sich, ihrem Pferd den Kopf freigeben zu können. Oberon kaute ungeduldig an seinem Gebiss und Schaumflocken fielen von seinen Lippen zu Boden.
    “ Ich muss ihn einmal rennen lassen, Johanna.“
    Johanna verkrampfte ihre Hände an den Zügeln: “Amalie ist nicht so schnell, das weißt du.“
    “ Ich drehe bald um und komme zurück. Es wird schon nichts passieren. Wenn du möchtest, kannst du auch schon zurück in den Kurpark reiten. Ich finde dich dann. Ich
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