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Aetherhertz

Aetherhertz

Titel: Aetherhertz
Autoren: Anja Bagus
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verschiedene interessante Zeitvertreibe, wie ich gehört habe. Und Baden-Baden bietet für hübsche junge Fräuleins ja auch genug Zerstreuung.
    Wir würden uns um alles kümmern. Die Sammlung muss katalogisiert und irgendwann vielleicht in ein anderes Gebäude verlegt werden. Stellen Sie sich das einmal vor: Die »Professor Christian Sebastian Rosenherz Stiftung«. Eine einmalige Sammlung kunsthistorischer und naturkundlicher Objekte. So stellen wir sicher, dass die Sammlung zusammenbleibt und nichts unter Wert verkauft wird.“
    Gott bewahre mich vor einer Dummheit, dachte Annabelle. Er glaubt, ich habe keine Ahnung von dem Wert der Sammlung. Er merkt gar nicht, wie er mich demütigt. Er meint es wirklich gut.
    „ Ich brauche Bedenkzeit.“ Herzlichen Glückwunsch gratulierte sie sich selbst. Ruhig geblieben, Souveränität gezeigt.
    „ Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, das war etwas viel für mich.“
    „ Selbstverständlich“, sagte Herr Falkenberg erfreut. Er nahm überhaupt nicht wahr, wie es ihr wirklich ging. „Das verstehe ich voll und ganz. Ruhen Sie sich aus, wir besprechen dann in den nächsten Tagen die Formalitäten.“
     
    * * *
     
    Die Krankenschwester rannte den Gang entlang.
    „ Wo ist Dr. Wendt?“, fragte sie die anderen Schwestern und Nonnen. Einige zeigten den Gang entlang, andere schüttelten den Kopf. Schließlich fand sie den Geburtshelfer.
    „ Es ist soweit, aber Sie müssen dringend kommen!“
    Der Geburtshelfer folgte ihr eilig. Schon von Weitem hörte er die Schreie der Gebärenden.
    Im Zimmer angekommen überraschte ihn der Anblick des Blutes nach all den Jahren immer noch. Es sah immer nach so viel aus: Blut auf weißer Wäsche, auf grauem Boden ...
    „ Der Kopf ist fast raus“, sagte die Hebamme mit tonloser Stimme. Sie schaute dem Arzt nicht in die Augen. Sie sah das Kreuz an der Wand an und wandte sich dann ab um sich die Hände zu waschen.
    Der Arzt fühlte unter dem Laken nach dem Muttermund. Er spürte den Kopf des Kindes, aber das, was seine Fingerspitzen ihm erzählten, konnte so nicht sein.
    Als er nach zwanzig furchtbaren Minuten das Kind betrachtete, atmete er tief ein und sagte zu der Schwester: „Das bleibt unter uns.“
    Die Schwester nickte mit vor den Mund geschlagenen Händen.
    „ Sie wissen, was Sie zu tun haben.“ Er wickelte das Kind so ein, dass man es nicht erkennen konnte. Der Säugling wimmerte.
    Er gab der Schwester das Kind: „Schicken Sie mir eine andere Schwester zur Assistenz. Vielleicht kann ich sie retten.“
    Er wandte sich der Frau zu und versuchte, seine Arbeit zu tun, ohne darüber nachzudenken.
     
    * * *
     
    Annabelle duckte sich unter einem tief hängenden Ast hindurch und trieb ihr Pferd in den Galopp. Einen kurzen Augenblick lang fühlte sie sich frei, nur sie, ihr Pferd und die Geschwindigkeit. Sie wusste, dass ihr Rappe Oberon zu weit schnellerem Galopp fähig war, aber hier in den Auen der Oos gab es immer wieder Spaziergänger, die einen in der Abenddämmerung erschrecken konnten.
    Sie hatte heute außerdem eine Begleitung, die nicht so flott reiten wollte. Ihre Freundin Johanna Winkler trottete am liebsten im gemütlichen Schritt über die Allee, denn ihr ging es nicht um das Reiten, sondern um das Gesehen-Werden. Annabelle fand, mit 22 sollte man auch mal alleine ausreiten dürfen, aber das war unschicklich und meistens beugte sie sich.
    Nebel stieg über der Oos auf – er leuchtete schwach grünlich vom Ætheranteil. Vielleicht sollte sie einfach hineinreiten und schauen, was passierte. Es gab Geschichten, dass man sich im Æthernebel wochenlang verirren konnte und wenn man herausfand, glaubte, es seien nur ein paar Stunden vergangen.
    “ Annabelle, warte doch“, hörte sie ihre Freundin rufen. Sie zügelte ihr Pferd und widerwillig tänzelte Oberon auf der Stelle, bis Johanna sie eingeholt hatte.
    “ Du weißt doch, dass ich Angst habe, wenn du so weit vorausreitest.“
    “ Wovor?“
    “ Auch wenn du es nicht wahrhaben willst, aber selbst hier kann es Verdorbene geben, die uns angreifen könnten.“ Johanna deutete auf den Nebel.
    Æther war gefährlich. Wer sich ihm zu lange aussetzte, wurde anders. Man nannte sie dann “Verdorbene“. Annabelle kannte keinen wirklich Verdorbenen persönlich, aber sie hatte viele Geschichten gehört. Frau Barbara sagte, nur die Schwachen und Ungläubigen würden durch den Nebel verändert, aber Papa hatte „Mumpitz!“ geschnaubt. Leider hatte er aber auch keine andere Erklärung
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