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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
Autoren: Ines Thorn
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    Kapitel 1
    Frankfurt, im Frühsommer 1533
    G ustelies erwachte – und war auf der Stelle schlecht gelaunt. Missmutig erhob sie sich aus ihrem Bett, stieß die Holzläden vor ihrem Fenster auf und prallte zurück. Die Sonne ging gerade auf und färbte den Himmel rosa. Ein paar Lerchen lärmten in den Bäumen, zwei Katzen stritten sich mitten auf dem Liebfrauenberg um eine tote Ratte.
    «Mistviecher», brummte Gustelies, kniff die Augen zusammen und machte Anstalten, sich zu strecken.
    «Guten Morgen, Nachbarin!» Die Stimme sprühte geradezu vor Fröhlichkeit. Gustelies ließ die Arme wieder sinken und hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. Stattdessen beugte sie sich ein wenig aus dem Fenster, verzog den Mund zu einer Art Lächeln und rief: «Ebenfalls einen guten Morgen, Nachbarin. So guter Stimmung heute?»
    Die Posamentiererin Gundel lachte und lockerte ihr Haar. «Der Herrgott hat uns einen wunderschönen Tag geschenkt. Wie sollte ich da schlechter Stimmung sein?»
    Gustelies winkte ein wenig, hob dann das dicke, schwere Federbett ins Fenster und schlüpfte in ihre Hausschuhe.
    Sie stieg die Treppen hinunter in die Pfarrhausküche, entzündete das Herdfeuer, holte zwei Eimer Wasser vom Brunnen und wusch sich. Dann schlüpfte sie in ihr schlichtes blaues Tuchkleid, zog und zerrte eine Bürste durch ihr noch immer dickes, dunkles Haar, steckte es zu einem Knoten auf und zog sich die weiße Haube darüber. Schließlich band sie eine Schürze vor ihr Kleid, schüttete Buchweizen und Milch in einen Topf und rührte heftig in dem Brei.
    «Der Herrgott hat uns einen wunderschönen Tag geschenkt», äffte sie die Nachbarin nach. «Wie kann man da schlechter Stimmung sein?» Wütend fuhr sie mit dem Holzlöffel im Topf herum, achtete nicht darauf, dass ein wenig von der Buchweizengrütze über den Topfrand und in die Feuerstelle schwappte. «Die hat gut reden, die Neue dort drüben», schimpfte Gustelies weiter. «Sie lebt da mit ihrem Schwager, einem feschen Mannsbild, das nur darauf aus ist, ihr eine gute Stimmung zu machen. Die Sonne ist kaum untergegangen, da schlägt sie schon die Läden vor ihrer Schlafkammer zu. Und ich? Ich hocke hier im Pfarrhaus mit dem Pater, der keinen Tag vergehen lässt, ohne mir das Leben schwerzumachen. Und die Jutta ist mir auch kein Trost mehr. Seit sie ihren Fuhrmann hat, geht sie bei ihm eingehakt sonntags am Mainufer spazieren und erzählt allen, die es nicht wissen wollen, von ihrem Glück. Wie er ihr den Türstock repariert hat, der Liebste. Und was für geschickte Hände er auch sonst so hätte. Und dabei kichert sie wie ein Backfisch. Ekelhaft ist das. Wahrlich ekelhaft. Sie näht sich bunte Bordüren an ihre Kleider, die sie bei der Nachbarin kauft. Und ich kann durchs Kammerfenster sehen, wie sie tuscheln und kichern.» Gustelies schüttelte empört den Kopf. «Kein Anstand, keinen Anflug von Moral und Sitte. Und in die Kirche gehen die beiden Glücksweiber auch nur noch selten. Wen wundert es, wenn da die Tugend brachliegt und das Land verkommt?»
    Gustelies war so ins Schimpfen vertieft, dass sie nicht hörte, wie der Pater Nau in die Küche kam.
    Er stand hinter ihr, die Hände brav vor dem Bauch gefaltet, und fragte: «Welche Laus ist dir über die Leber gelaufen? Seit Tagen schon zeterst du wie ein Rohrspatz.»
    «Huch!» Gustelies fuhr herum, den Löffel in der Hand. Der blieb am Topf hängen, riss ihn um, sodass die Buchweizengrütze mit einem Zischen ins Herdfeuer klatschte.
    «Jetzt sieh dir an, was du gemacht hast!», herrschte sie ihren Bruder an. Wütend warf sie den Löffel auf den Küchentisch. «Und was sollen wir jetzt zum Frühstück essen? Ich stehe jeden Tag vor Tau und Tag auf, um dir ein gutes Mahl zu bereiten, und du kommst einfach so daher und machst meine ganze Arbeit zunichte.»
    Der Pater duckte sich und zog die Schultern ein. «Aber ich habe doch gar nichts gemacht», warf er eingeschüchtert ein.
    Gustelies stemmte die Fäuste in die Hüften. «Ach? Nichts gemacht?» Ihre Stimme schraubte sich in die Höhe, der Busen bebte, das Kinn war nach vorn gereckt. «Nichts gemacht? Schleichst hier herum wie ein Dieb und erschreckst mich zu Tode! Das hast du gemacht. Das machst du IMMER !»
    Der Pater verzog den Mund und betrachtete seine Schwester, als hätte er sie noch nie gesehen. «Was ist mit dir?», fragte er mit leiser Besorgnis in der Stimme. «Seit Tagen schon hast du eine grauenvolle Laune, die du an mir auslässt.
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