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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
Autoren: Ines Thorn
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ab.
    Gustelies rümpfte die Nase, packte ihren Korb und durchschritt weiter die Marktgänge. Sie kaufte ein paar Mohrrüben und eine Sellerieknolle, dazu zwei Handvoll Rapunzeln und dachte eben darüber nach, ob sie sich eine neue Schließe für ihren Umhang leisten sollte, als ihre beste Freundin, die Geldwechslerin Jutta Hinterer, an ihr vorüberstürmte.

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    Kapitel 2
    G ott zum Gruße. Siehst du mich denn nicht?», rief Gustelies ihr nach. Auf der Stelle hielt Jutta inne, eilte zurück und packte Gustelies beim Arm. «Komm schnell zum Römer. Dort ist ein junger Prediger, der wahrhaft neue Dinge zu berichten weiß.»
    Gustelies zog die Stirn in Falten. «Ein neuer Prediger? Meinst du nicht, dass ich mit Pater Nau und Bruder Göck genügend geistliche Ansprache habe?»
    Jutta verdrehte die Augen zum Himmel. «Das ist nicht einfach irgendein Prediger. Er sagt wahrlich neue Dinge. Und dazu sieht er auch noch himmlisch aus.»
    Gustelies zögerte, doch Jutta zwinkerte ihr zu und meinte: «So ein bisschen geistliche Ansprache zusätzlich hat noch niemandem geschadet.»
    Und schon packte die Geldwechslerin die Freundin bei der Hand und zog sie hinter sich her.
    Auf dem Römer hatte sich rund um den Gerechtigkeitsbrunnen bereits eine ansehnliche Menschenmenge versammelt. Auf den ersten Blick sah Gustelies, dass es hauptsächlich Frauen waren. Ganz vorn standen ein paar Waschweiber, die Arme vor der Brust verschränkt, dahinter drückten sich die Mägde aneinander. Direkt neben dem fremden Prediger aber hatten sich zwei Patrizierinnen breitgemacht und versperrten mit ihren prächtig verzierten Hauben den Hinteren die Sicht. Gustelies stand zwischen Jutta und einer Haubenstickerin eingezwängt, den Weidenkorb mit den Hahnenkämmen und dem toten Huhn zu ihren Füßen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um den Fremden besser sehen zu können, doch es gelang ihr nicht. Vor ihr standen zwei Männer mit großen Baretten auf dem Kopf. Nur seine Stimme hörte sie klar und deutlich:
    «Am Anfang der Welt, am Anfang allen Seins, da füllte der Unendliche die Welt mit göttlichem Licht und Glanz. Der Unendliche aber ist in solchem Maße erhaben über uns, dass kein Wort, kein Begriff, kein Bild ihn jemals beschreiben könnten. Der Unendliche steht über allen Dingen, und es ist dem Menschen nicht angemessen, ihn bei einem Namen zu nennen. Und es ist dem Menschen nicht angemessen, ihn, den Unendlichen, mit kleinlichen Sorgen des Alltags zu behelligen …»
    Gustelies schüttelte den Kopf. Die beiden Männer vor ihr taten dasselbe, dann drängelten sie sich aus der Menge.
    Gustelies stieß Jutta Hinterer in die Seite: «Was redet der da? Man soll sich keinen Begriff machen? Kein Wort kann ihn beschreiben? Und an wen soll sich der geplagte Mensch denn sonst wenden mit seiner Last?»
    Jutta maß sie mit strafendem Blick. «Jetzt höre doch erst einmal zu, ehe du zu schimpfen beginnst. Sieh dir lieber seine Augen an, das Gesicht. Himmlisch, einfach himmlisch.»
    Gustelies betrachtete Jutta Hinterer von der Seite. Fehlt nur noch, dass sie sich die Lippen leckt, dachte sie, und im selben Augenblick tat Jutta das auch.
    «Das ist ein Mannsbild, nicht wahr?», krähte eine Stimme aus dem Hintergrund, und schon schob sich Mutter Dollhaus zwischen Jutta und Gustelies. «Fesch, sehr fesch. Hach, wenn ich allein an die Muskeln denke da unter seinem Hemd.»
    «Mutter Dollhaus!» Gustelies ließ ihren Zeigefinger vor dem Gesicht der alten Frau tanzen. «Hat Euch der Pater nicht die unzüchtigen Gedanken verboten? Müsst Ihr in Euerm Alter schon wieder nach den Männern schauen?»
    Mutter Dollhaus grinste und winkte mit der Hand ab. «Erregt Euch nicht so, Pfarrhausköchin. Ich bete heute Abend zehn Rosenkränze, zehn Vaterunser und nehme eine kalte Waschung vor. Euer Bruder, der Pater, würde mir keine andere Strafe aufbrummen.»
    Mit den Ellbogen drängelte die alte Frau so, dass sie in Windeseile zwei Reihen weiter vorn war. Jutta schob sich hinterher.
    «Uns allen hat man erzählt, wir würden nach einem gottgefälligen Leben in den Himmel kommen, aber weit gefehlt, liebe Freunde …»
    «Was? Was spricht dieser Mensch?» Gustelies packte ihren Weidenkorb und drängelte sich ebenfalls nach vorn.
    «… das, was wir unser Leben auf dieser Erde nennen, das ist in Wahrheit die Hölle. Die Anzeichen dafür sind vorhanden. Und ich sage Euch: Die Erde ist in Frevlerhand.»
    Gustelies schüttelte wieder den Kopf. «Dem
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